1.1 Komfortleistungen bei Unterkunft und Verpflegung
Rz. 2
Auch vor Einführung des PflegeVG war es Pflegeheimen erlaubt, Zusatzleistungen bei Unterkunft und Verpflegung anzubieten und gesondert zu berechnen. Dies ist den Pflegeheimen auch weiterhin gestattet, allerdings beschränkt auf klar abgegrenzte Leistungen, die nicht wegen Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit im Einzelfall erforderlich sind und deshalb auch nicht zum Leistungsumfang des § 87 zählen. Als Zusatzleistungen gelten nur solche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen. Als Beispiele hierfür gelten das luxuriöse Komfortzimmer oder die "Gourmetkost".
Rz. 3
Alle übrigen Leistungen, die wegen der Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit erforderlich sind, auch wenn sie nicht alltäglich sind oder als ausgefallen gelten, können nicht zu den Zusatzleistungen gehören (z. B. besondere, eventuell ausgefallene Diätkost oder aufwendige technische Zurichtungen oberhalb der normalen Beschaffenheit eines Zimmers oder Pflegebettes).
1.2 Pflegerische "Wahlleistungen"
Rz. 4
Pflegeleistungen als Wahlleistungen beinhalten nicht nur die Gefahr, unzweckmäßig oder unwirtschaftlich zu sein, sie sind auch geeignet, das Wesen und die Kultur des Pflegens als Form einer humanen Zuwendung in einer Notsituation in Frage zu stellen.
Rz. 5
Zudem gerät das pflegende Personal in die Gefahr, das Qualitätsniveau für Pflegebedürftige ohne Zusatzleistung (unbewusst) zu niedrig anzusetzen.
Rz. 6
Gleichwohl ist anzuerkennen, dass es auch bei der personenbezogenen Pflege zusätzliche Betreuungsleistungen geben kann, die zwar nicht notwendig, aber nützlich sind oder dem allgemeinen Wohlbefinden des Pflegebedürftigen dienen. Dies könnten der Schönheitspflege zuzuordnende Leistungen sein oder über das Übliche hinausgehende geistige Betreuung. Für pflegebedürftige Menschen, zu deren Lebensinhalt stets die Beschäftigung mit Literatur oder Musik gehört hat, könnte dies auch nach Eintritt des Pflegefalls ein elementares Bedürfnis sein.
Rz. 7
In der Begründung zum Regierungsentwurf (BR-Drs. 505/93 S. 147/148) wird wiederum zu beachten gegeben, dass die Pflege den Menschen in seiner Gesamtheit mit Leib, Geist und Seele umfasst. Eine auf den individuellen Pflegebedürftigen bezogene, sein Wohlbefinden fördernde geistige und kulturelle Betreuung gehört daher i. d. R. bereits zum Maß der notwendigen pflegerischen Betreuung, die mit dem Pflegesatz abgegolten ist und daher nicht gesondert berechnet werden darf.
1.3 Abgrenzung zwischen notwendigen Leistungen und Zusatzleistungen
Rz. 8
Abs. 1 Satz 2 weist auf die Rahmenverträge nach § 75 hin, die die beschriebenen Abgrenzungen sachgerecht festzulegen haben. Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 regeln die Verträge u. a. die Abgrenzung zwischen den allgemeinen Pflegeleistungen, den Leistungen bei Unterkunft und Verpflegung und den Zusatzleistungen.
Rz. 9
Der Gesetzgeber hat hier die Landesverbände der Pflegekassen und die Träger der Pflegeheime auf Landesebene, gemeinsam mit dem Medizinischen Dienst, aufgefordert, bei der Ausarbeitung der Rahmenverträge nach Satz 2 mit Augenmaß, Sachverstand, menschlicher Wärme und Engagement für eine neue Kultur des Pflegens eine sachgerechte Abgrenzung zwischen notwendigen Pflegeleistungen und Zusatzleistungen ("Wahlleistungen") vorzunehmen, die nicht schematisch sein darf.
Bereits die Bundesempfehlungen gemäß § 75 Abs. 6 zur stationären und teilstationären Pflege sowie zur Kurzzeitpflege – als Orientierungshilfe für die Rahmenverträge nach § 75 Abs. 1 gedacht – weisen ausdrücklich auf die Sonderstellung der Zusatzleistungen und deren Vereinbarung mit dem Pflegebedürftigen hin. Die Vereinbarungen nach § 88 genießen insofern keine absolute Vertragsfreiheit; sie sind unmittelbar an die Vorgaben der Rahmenverträge und die dort geregelten Abgrenzungen der Zusatzleistungen von den allgemeinen Pflegeleistungen und den Leistungen für Unterkunft und Verpflegung gebunden.
1.4 Voraussetzungen für die Gewährung und Berechnung von Zusatzleistungen
Rz. 10
Mit ihrem Abs. 2 knüpft die Vorschrift an das geltende Recht der Krankenhausfinanzierung an. Die in Nr. 1 bis 3 aufgeführten Erfordernisse entsprechen denen der Wahlleistungsgewährung nach der Bundespflegesatzverordnung. Es handelt sich hier um formale Anforderungen an die Zulässigkeit von Zusatzleistungen; sie sollen dem Schutz der Pflegebedürftigen dienen.
So genießt die absolute Sicherstellung und Gewährleistung der notwendigen stationären und teilstationären Leistungen Vorrang vor den Zusatzleistungen, die nur zulässig sind, wenn keine Beeinträchtigung dieser Leistungen (vgl. § 84 Abs. 4 und § 87) eintritt.
Die Vorschrift verlangt außerdem eine schriftliche Vereinbarung zwischen Pflegeheim und Pflegebedürftigen über die vereinbarten Zusatzleistungen, die vor der Aufnahme in das Pflegeheim abgeschlossen wurde und alle wichtigen Einzelheiten beinhaltet (Art, Umfang, Dauer und Zeitabfolge sowie die Höhe der Zuschläge und die Zahlungsbedingungen).
Der in Abs. 2 Nr. 1 aufgeführte Beeinträchtigungstatbestand und dessen Beachtung ist aber in hohem Maße abhängig von der Erfüllung der Rahmenverträge und der Einhaltung der in den Qualitätsrichtlinien definierten Qualitätsstandards der Pflege. Für den Fall, da...