Wird aufgrund einheitlicher Planung zeitlich vor der Übertragung des Mitunternehmeranteils funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen unter Aufdeckung der stillen Reserven entweder entnommen (z. B. durch unentgeltliche Übertragung auf einen Angehörigen) oder zum gemeinen Wert veräußert, kann der reduzierte Mitunternehmeranteil gleichwohl nach § 6 Abs. 3 EStG zum Buchwert übertragen werden, sofern es sich bei dem verbleibenden „Restbetriebsvermögen“ weiterhin um eine funktionsfähige betriebliche Einheit handelt.
Es ist also unschädlich, wenn vor der Übertragung des Mitunternehmeranteils funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen veräußert oder entnommen wird; ausreichend ist insoweit eine "juristische Sekunde" vor der Übertragung des verbliebenen Mitunternehmeranteils. Für die Bestimmung der zeitlichen Reihenfolge zwischen Entnahme/Veräußerung von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen und Übertragung des Anteils ist auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen.
Zeitgleiche Veräußerungen oder Entnahmen des Sonderbetriebsvermögens sind schädlich
Zeitgleiche Veräußerungen oder Entnahmen des Sonderbetriebsvermögens sind dagegen – mit Ausnahme von Überführungen und Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG – für eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG schädlich (Folge: tarifbegünstigter Aufgabegewinn für den gesamten Mitunternehmeranteil einschließlich des Sonderbetriebsvermögens). Eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG scheidet somit aus, wenn stille Reserven in funktional wesentlichen Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens durch Veräußerung oder Entnahme zeitgleich mit der unentgeltlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils aufgedeckt werden.
Bei einer derartigen Konstellation befindet sich das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen zum Zeitpunkt der Entnahme noch im Betriebsvermögen des Übertragenden und es werden gerade nicht alle im Übertragungszeitpunkt noch vorhandenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG übertragen. Werden funktional wesentliche Wirtschaftsgüter nicht mitübertragen, sondern zeitgleich gewinnrealisierend ins Privatvermögen überführt, liegt keine unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils, sondern eine tarifbegünstigte gewinnrealisierende Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils vor. Diese Beurteilung (keine Buchwertfortführung in Bezug auf den Gesellschaftsanteil) gilt auch, wenn das funktional notwendige Sonderbetriebsvermögen zeitgleich mit der Übertragung des Gesellschaftsanteils veräußert wird.
Der Tatbestand der tarifbegünstigten Aufgabe eines Mitunternehmeranteilsist auch dann erfüllt, wenn funktional wesentliche Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens kurz nach der Übertragung des Mitunternehmeranteils (auch nur eine juristische Sekunde später) in das Privatvermögen überführt oder an Dritte veräußert werden.
Es muss also auf die zeitliche Reihenfolge der Übertragungsgeschäfte geachtet werden. Anzustellen ist eine zeitpunktbezogene Prüfung. Für den Fall, dass nach diesen Maßstäben zeitgleich (d. h. in derselben juristischen Sekunde) mit der unentgeltlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils stille Reserven in funktional wesentlichen Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögen durch Entnahme oder Veräußerung aufgedeckt werden, scheidet die Anwendung des Buchwertprivilegs des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG aus. Die Buchwertfortführung in Bezug auf den Gesellschaftsanteil ist jedoch zulässig und geboten, wenn zeitlich vorgelagert das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen veräußert oder in das Privatvermögen übernommen wird, und zwar auch, wenn es sich nur um eine "juristische Sekunde" handelt.