Leitsatz
Beteiligt sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, wird hierdurch ein Betrieb gewerblicher Art begründet. Die im Rahmen der Beteiligung bezogenen Sondervergütungen unterliegen auf der Ebene des Betriebs gewerblicher Art der KSt und auf der Ebene der Trägerkörperschaft der KapESt (Bestätigung des BMF, Schreibens vom 9.1.2015, BStBl I 2015, 111).
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c, § 43a Abs. 1 Nr. 6, § 44 Abs. 6 EStG; § 2 Nr. 2, § 4, § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG
Sachverhalt
Der Kläger ein Landkreis, ist als Kommanditist an einer GmbH & Co.KG beteiligt, die ein Abfallentsorgungszentrum betreibt, in dem u.a. der im Landkreis anfallende Hausmüll entsorgt wird. Die Beteiligung des Klägers an der KG wurde als Betrieb gewerblicher Art behandelt. Die Errichtung des Entsorgungszentrums finanzierte die KG mit Krediten. Der Kreis verbürgte sich für deren Rückzahlung und erhielt dafür in den Streitjahren Avalprovisionen, die in den für die KG ergangenen Gewinnfeststellungsbescheiden als Sonderbetriebseinnahmen berücksichtigt wurden.
Die Beteiligungseinkünfte wurden beim Betrieb gewerblicher Art der KSt unterworfen. Nachdem keine entsprechenden Anmeldungen abgegeben worden waren, setzte das FA KapESt nebst SolZ gegen den Kläger fest. Hierbei ging das FA davon aus, dass die Avalprovisionen zum Gewinn des Betriebs gewerblicher Art gehören und folglich als Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG 2002 i.d.F. des (Kleinunternehmerförderungsgesetzes vom 31.7.2003 [BGBl I 2003, 1550, BStBl I 2003, 398] – EStG 2002 n.F. – dem Steuerabzug unterliegen. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 11.6.2013, 6 K 2867/11 KE, F, Haufe-Index 5070933, EFG 2013, 1509).
Entscheidung
Auch mit seiner Revision vor dem BFH ging es dem Kläger nicht besser: Der BFH wies sie als unbegründet zurück. Die im Rahmen der Beteiligung bezogenen Sondervergütungen unterlägen auf der Ebene des Betriebs gewerblicher Art der KSt und auf der Ebene der Trägerkörperschaft der KapESt.
Hinweis
Das Urteil betrifft die Besteuerung der öffentlichen Hand und ihrer Betriebe gewerblicher Art.
1. Ein solcher Betrieb ist gegeben, wenn sich die Trägerkörperschaft der öffentlichen Hand an einer (originär) gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt und daraus Gewinnanteile und Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte bezieht. Dadurch werden die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 KStG erfüllt. Es gilt, insoweit Wettbewerbsgleichheit zu privat-rechtlichen Subjekten zu bewahren und der unternehmerisch tätigen öffentlichen Hand keine Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
2. Dieser Gleichbehandlungsgedanke gebietet es nach Auffassung des BFH, nicht nur die Besteuerung der Gewinnanteile, sondern auch die Besteuerung der Sondervergütungen bei mitunternehmerischer Beteiligung juristischer Personen des öffentlichen Rechts sicherzustellen. Und das gebietet zugleich die Nachbelastung der gesamten Einkünfte des Betriebs gewerblicher Art auf der Ebene der Trägerkörperschaft: "Die … Erfassung der Sondervergütungen … muss konsequent durchgehalten werden, um das von § 4 KStG verfolgte Gleichbehandlungsziel zu erreichen."
Den "Hebel" für seine Annahme sieht der BFH in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG. Diese Vorschrift verfolgt den Zweck, durch die Fiktion einer steuerpflichtigen Ausschüttung des von einem Betrieb gewerblicher Art ohne eigene Rechtspersönlichkeit erzielten Gewinns an die Trägerkörperschaft die vom Gesetzgeber gewollte steuerliche Gesamtbelastung des – fiktiv ausgeschütteten – Gewinns auf der Ebene des Anteilseigners herzustellen. Ohne eine solche Nachbelastung auf der Ebene der Trägerkörperschaft, die insoweit dem Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft entspricht, wäre die öffentliche Hand wiederum gegenüber Privatrechtssubjekten privilegiert. Denn beteiligen sich Kapitalgesellschaften an gewerblich tätigen Personengesellschaften, dann erhöhen die Gewinnanteile und Sondervergütungen den körperschaftsteuerlichen Gewinn und es kommt im Falle der Ausschüttung zur Nachbelastung auf der Ebene des Anteilseigners (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Deswegen muss, so meint der BFH, der Gewinnbegriff des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG bei dem Betrieb gewerblicher Art, welcher aus der Beteiligung der öffentlichen Hand an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft entsteht, "im Lichte der vorstehend beschriebenen Zwecksetzung modifizierend verstanden werden". Einbezogen sind infolgedessen auch die Sondervergütungen. Der BFH bestätigt damit die Rechtsauffassung, die in Rz. 31 des BMF-Schreibens vom 9.1.2015 (BStBl I 2015, 111) zum Ausdruck kommt.
3. Das kann man so sehen, ebenso wie gewiss auch die Gegenauffassung als gut vertretbar erscheint:
Vom "reinen" Begriffsverständnis her, sind die Sondervergütungen in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG tatbestandlich nämlich nicht einbezogen. Und wenn der Gesetzgeber mit Fiktionen arbeitet, dann muss er...