Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Kommentar
Mehr als 16 Jahre ist es her, dass der Steuergesetzgeber die Spekulationsfrist für private Grundstücksveräußerungsgeschäfte von 2 auf 10 Jahre verlängerte. Nun hat das BMF geregelt, dass vor der Gesetzesänderung vorgenommene Abschreibungen noch dem nicht steuerbaren Wertzuwachs zugerechnet werden können.
Als "Perpetuum mobile" werden gemeinhin Geräte bezeichnet, die – einmal in Gang gesetzt – ewig in Bewegung bleiben. Ein ähnlicher Effekt scheint sich nach der Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücksveräußerungen in 1999 eingestellt zu haben: Bis heute beschäftigen sich Gerichte und Finanzverwaltung mit den Folgewirkungen; auch hier ergibt eine Reaktion die nächste. Das BMF hat mit Schreiben vom 18.5.2015 neue Grundsätze zur Aufteilung des Veräußerungsgewinns bei Grundstücksverkäufen formuliert, die nach dem 31.3.1999 stattgefunden haben und bei denen die frühere 2-jährige Spekulationsfrist bereits vor dem 1.4.1999 abgelaufen war. Um die neuen Verwaltungsaussagen nachvollziehen zu können, müssen sie in den Kontext der bisherigen Entwicklungen gesetzt werden.
I. Rückblick
Verlängerung der Spekulationsfrist
Im Jahre 1999 verlängerte der Steuergesetzgeber die Spekulationsfrist für private Grundstücksveräußerungsgeschäfte (i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) von 2 auf 10 Jahre; entsprechende Neuregelungen wurden mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (verkündet am 31.3.1999) geschaffen. Wer fortan Wertsteigerungen ohne Steuerzugriff vereinnahmen wollte, musste für seine Wirtschaftsgüter also längere Haltefristen in Kauf nehmen.
Reaktion des Bundesverfassungsgerichts
Das BVerfG stellte die gesetzlichen Neuregelungen mit Beschluss vom 7.7.2010 (Az. 2 BvL 14 / 02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BStBl. 2011 II S. 76) auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand und kam zu dem Ergebnis, dass die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist auf 10 Jahre teilweise verfassungswidrig ist. Das Gericht entschied:
- Soweit die 2-jährige Spekulationsfrist bei Gesetzesverkündung am 31.3.1999 noch nicht abgelaufen war, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verlängerung der Spekulationsfrist.
- Als verfassungswidrig stellt sich jedoch die neue Besteuerung von Wertzuwächsen dar, die bis zum 31.3.1999 eingetreten waren und vom Steuerbürger nach Maßgabe der vorherigen Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.
Reaktion der Finanzverwaltung
Das BMF griff die verfassungsrechtliche Kritik des BVerfG damals mit Schreiben vom 20.12.2010 (BStBl. 2011 I S. 14) auf und traf unter anderem für nach dem 31.3.1999 stattgefundene Grundstücksveräußerungsgeschäfte, bei denen die 2-Jahresfrist bereits vor dem 1.4.1999 abgelaufen war, eine Aufteilungsregel. Demnach durften Veräußerungsgewinne in einen bis zum 31.3.1999 entstandenen nicht steuerbaren Wertzuwachs und einen nach dem 31.3.1999 eingetretenen steuerbaren Wertzuwachs aufgeteilt werden. Dabei schuf das BMF eine Vereinfachungsregelung (in Ziffer II.1 des Schreibens), wonach der steuerbare Wertzuwachs linear nach dem Verhältnis ermittelt werden konnte, in dem die Besitzzeit nach dem 31.3.1999 zur Gesamtbesitzzeit stand (monatsweise Ermittlung).
Hatte ein Steuerbürger z. B. ein unbebautes Grundstück des Privatvermögens nach einer Haltedauer von insgesamt 31 Monaten mit einem Wertzuwachs von 50.000 EUR veräußert und betrug die Haltedauer nach dem 31.3.1999 lediglich 4 Monate, so waren lediglich 6.452 EUR (4/31-tel) bei der Einkommensteuerfestsetzung zu berücksichtigen.
BFH kassierte Vereinfachungsregelung
Ein Grundstückseigentümer aus Sachsen, der seine in 1996 erworbene Immobilie in 2003 veräußert hatte, setzte sich in 2014 vor dem BFH erfolgreich gegen die Anwendung der Vereinfachungsregelung zur Wehr. Im Urteilsfall lag die Besonderheit darin, dass der Eigentümer im Jahr 1997 (somit vor dem 31.3.1999!) hohe Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz für seine veräußerte Immobilie vorgenommen hatte. Sein Finanzamt hatte die monatsweise Vereinfachungsregelung des BMF angewandt und den steuerbaren Wertzuwachs auf rd. 45.500 EUR beziffert (Verkaufspreis abzüglich fortgeführter Anschaffungskosten multipliziert mit Zeitanteil nach dem 31.3.1999). Der BFH entschied jedoch mit Urteil vom 6.5.2014 (Az. IX R 39/13), dass bei Immobilienverkäufen nach Ablauf der 2-jährigen Spekulationsfrist und vor Ablauf der 10-jährigen Spekulationsfrist die bis zum 31.3.1999 in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen und AfA-Beträge dem nicht steuerbaren Zeitraum zugeordnet werden müssen. Nach Ansicht des BFH widerspricht die monatsweise Vereinfachungsregelung der BVerfG-Rechtsprechung aus dem Jahr 2010, sofern dadurch Wertsteigerungen nachträglich in die Besteuerung einbezogen werden, die bei einer Veräußerung vor dem 1.4.1999 nicht steuerverhaftet waren.
II. Neues BMF-Schreiben aus 2015
Das BMF griff die Kritik des BFH jetzt mit Schreiben vom 18.5.2015 (IV C 1 – S 2256/07/10001 : 009) auf und ergänzte seine bisherige Vereinfachungsregelung für Veräuße...