OFD Frankfurt, Verfügung v. 2.5.2005, S 2256 A - 1 - St II 2.08
Bei der Ermittlung von sonstigen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch die Veräußerung von Wertpapieren – insbes. Aktien – ist Folgendes zu beachten:
I. Girosammelverwahrung
Bei der Girosammelverwahrung verliert der Wertpapierinhaber das Einzeleigentum an bestimmten Wertpapieren und wird stattdessen Bruchteilseigentümer an allen Papieren einer Art und Gattung, die gemeinsam im Girosammeldepot verwahrt werden (§§ 5 ff. des Depotgesetzes [DepotG]).
a) Rechtslage ab Veranlagungszeitraum 2005 (Fifo-Methode)
Für Wertpapiere in Girosammelverwahrung schreibt das Gesetz eine Verwendungsreihenfolge bei privaten Veräußerungsgeschäften vor. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG fingiert, dass die zuerst angeschafften Wertpapiere auch zuerst veräußert werden (sog. Fifo-Methode).
Der Vorteil der Fifo-Methode liegt – gemessen an der alten Rechtslage – in der einfachen Ermittlung der realisierten Einkünfte. So werden jedem Veräußerungsgeschäft sowohl zeitlich als auch betragsmäßig ein oder mehrere Anschaffungsgeschäfte eindeutig zugeordnet. Dies erleichtert die Entscheidung darüber, ob die Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist (steuerpflichtig) oder außerhalb (nicht steuerbar) liegt. Im Fall der Steuerpflicht sind die feststehenden Anschaffungskosten aus den zugeordneten Erwerben zu berücksichtigen.
Beispiel 1:
Der Stpfl. B erwirbt im Lauf der Jahre 2005 und 2006 folgende Aktien der X-AG:
Anschaffungsdatum |
Anzahl |
Anschaffungskosten/Stück |
1.11.2005 |
100 |
100,00 EUR |
1.2.2006 |
40 |
90,00 EUR |
1.8.2006 |
30 |
100,00 EUR |
1.12.2006 |
30 |
110,00 EUR |
Am 10.1.2007 veräußert B 150 Stück dieser Aktien zu einem Preis von je 150,00 EUR
Nach der Fifo-Methode gelten zuerst die am 1.11.2005 angeschafften Aktien als veräußert, und zwar vorliegend außerhalb der Spekulationsfrist. Danach folgen nacheinander bis zur Stückzahl der verkauften Aktien die am 1.2.2006 und am 1.8.2006 erworbenen Aktien, die innerhalb der Spekulationsfrist steuerpflichtig veräußert wurden.
Veräußerungserlös |
22.500 EUR |
davon Veräußerungserlös von 100 Aktien nicht steuerbar |
- 15.000 EUR |
abzgl. Anschaffungskosten der am 1.2.2006 erworbenen 40 Stk. |
- 3.600 EUR |
abzgl. Anschaffungskosten der am 1.8.2006 erworbenen 10 Stk. |
- 1.000 EUR |
zu versteuernde Einkünfte aus § 23 EStG |
2.900 EUR |
b) Rechtslage bis Veranlagungszeitraum 2003 (Durchschnittswertmethode)
Zur Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren in Girosammelverwahrung hat der BFH mit Urteil vom 24.11.1993, X R 49/90 (BStBl 1994 II S. 591) entschieden, dass die Veräußerungsfrist i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nur dann gewahrt ist, wenn der Art und der Stückzahl nach ausgeschlossen werden kann, dass die veräußerten Wertpapiere außerhalb dieser Frist erworben wurden; vgl. hierzu H 169 (Sammeldepot) EStH 1999.
Beispiel 2:
Der Stpfl. A erwarb am 1.1.1998 und am 1.8.1998 je 100 Aktien gleicher Art und Güte der X-AG, die bei der Y-Bank in einem Girosammeldepot verwahrt werden. Am 1.7.1999 veräußert er 150 Aktien der X-AG.
Bei 100 Stück der veräußerten Aktien kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie zu den am 1.1.1998 erworbenen Wertpapieren gehören und damit außerhalb der einjährigen Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erworben wurden. Somit hat A im Vz. 1999 ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mit 50 Aktien der X-AG verwirklicht.
Soweit private Veräußerungsgeschäfte vorliegen, sind Lifo- oder Fifo-Verfahren nicht anwendbar. Die Anschaffungskosten sind vielmehr nach Durchschnittswerten zu ermitteln (BFH vom 24.11.1993, a.a.O.).
Beispiel 3:
(wie Beispiel 1, nur nach alter Rechtslage): Der Stpfl. B erwarb im Lauf der Jahre 1999 und 2000 folgende Aktien der X-AG:
Anschaffungsdatum |
Anzahl |
Anschaffungskosten/Stück |
1.11.1999 |
100 |
100,00 EUR |
1.2.2000 |
40 |
90,00 EUR |
1.8.2000 |
30 |
100,00 EUR |
1.12.2000 |
30 |
110,00 EUR |
Am 10.1.2001 veräußert B 150 Stück dieser Aktien zu einem Preis von je 150,00 EUR.
Nach der Rspr. des BFH (Urteil vom 24.11.1993, a.a.O.) hat B ein privates Veräußerungsgeschäft bzgl. des Verkaufs von 50 Aktien verwirklicht, da hinsichtlich 100 Aktien nicht auszuschließen ist, dass sie außerhalb der Veräußerungsfrist gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (am 1.11.1997) erworben wurden. Die Anschaffungskosten der veräußerten Aktien sind nach Durchschnittswerten zu ermitteln (s.o.). Damit ergeben sich folgende durchschnittliche Anschaffungskosten:
40 Stück á 90,00 EUR = |
3600,00 EUR |
|
|
30 Stück á 100,00 EUR = |
3000,00 EUR |
|
|
30 Stück á 110,00 EUR = |
3300,00 EUR |
|
|
Summe: 100 Stück |
9900,00 EUR = durchschnittlich 99,00 EUR/Aktie |
Der Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften berechnet sich nach § 23 Abs. 3 EStG damit wie folgt:
Veräußerungserlös 50 Aktien á 150,00 EUR |
7.500,00 EUR |
Anschaffungskosten 50 Aktien á 99,00 EUR |
- 4.950,00 EUR |
Veräußerungsgewinn (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) |
+ 2.550,00 EUR |
Offen gelassen hat der BFH jedoch, wie zu verfah...