Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Auch bei Prüfungen an Amtsstelle ist der Ausschluss der Straf- oder Bußgeldbefreiung nach § 7 S. 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG möglich. Der Amtsträger (hier: Prüfer) "erscheint" beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter auch dann, wenn im FA ein persönlicher Kontakt stattfindet, der nach außen erkennbar macht, dass der Amtsträger mit der Außenprüfung beginnt.
Normenkette
§ 7 S. 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG, § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO
Sachverhalt
Bei einem niedergelassenen Facharzt fand eine Außenprüfung statt, die in den Räumen des FA durchgeführt wurde. Der Bevollmächtigte des Klägers überreichte dem Prüfer im FA zahlreiche Unterlagen und hielt mit dem Prüfer verschiedene Zwischenbesprechungen ab, bei denen zum Teil auch der Kläger anwesend war. Sodann ging beim FA eine strafbefreiende Erklärung des Klägers ein, in der er einen Betrag i.H.v. 500,75 EUR als zu Unrecht nicht besteuerte Einnahmen erklärte. Dabei handelte es sich um den Ansatz von Reparaturkosten für ein Privatfahrzeug als Betriebsausgaben. Binnen 10 Tagen nach Abgabe der Erklärung entrichtete der Kläger an das FA einen Betrag i.H.v. 25 % der erklärten Einnahmen.
Das daraufhin eingeleitete Strafverfahren wurde gem. § 153 StPO eingestellt. Das FA erließ einen Aufhebungsbescheid gem. § 10 Abs. 3 StraBEG, mit dem es die mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung i.H.v. 25 % der erklärten Einnahmen (125,19 EUR) aufhob.
Das FG wies die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab (FG Münster, Urteil vom 09.08.2007, 6 K 5364/04 AO, Haufe-Index 1803010, EFG 2008, 79).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Die Auffassung des FG halte einer revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand. Wegen der Begründung im Einzelnen kann auf die Praxishinweise verwiesen werden.
Hinweis
Streitfragen zum Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) betreffen zwar ausgelaufenes Recht, offenbar sind aber noch zahlreiche Fälle zu dieser Problematik anhängig, sodass ungeklärte Streitfragen auf diesem Gebiet noch immer von Interesse sind.
Das StraBEG verfolgte das Ziel, Steuerpflichtigen, die Steuerhinterziehung begangen hatten, eine Brücke in die Steuerehrlichkeit zu bauen und einen Anreiz zu schaffen, in das Ausland transferierte Gelder ins Inland zurückzuholen. Wie man heute weiß, ist dieser Zweck in der Praxis im Wesentlichen verfehlt worden, weil die Bedingungen für die Besteuerung von Kapitalerträgen im internationalen Vergleich in Deutschland nach wie vor zu ungünstig sind. Eine Brücke wird eben nicht begangen, wenn auf der anderen Seite des Flusses nur Wüste ist. Gleichwohl ist der Gesetzeszweck, Steuerhinterziehern eine Brücke in die Steuerehrlichkeit zu eröffnen, bei Streitfragen zum StraBEG als maßgebliche Auslegungsrichtschnur heranzuziehen.
Nach § 7 StraBEGtritt die Straf- oder Bußgeldfreiheit jedoch nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 der Norm oder einer Handlung i.S.d. § 6 des Gesetzes bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Diese Regelung entspricht der Sache nach dem Ausschluss der Strafbefreiung bei der Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO, obwohl der Wortlaut beider Vorschriften nicht vollständig deckungsgleich ist. Der Gesetzeszweck beider Vorschriften ist jedenfalls vergleichbar, sodass auch die von der Rechtsprechung erarbeiteten Rechtssätze für beide Vorschriften untereinander kompatibel sind.
Ein Erscheinen des Prüfers "zur steuerlichen Prüfung" i.S.v. § 7 StraBEG setzt eine entsprechende Prüfungsanordnung voraus. Nur soweit die Prüfungsanordnung reicht, kann das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde die Strafbefreiung ausschließen.
Die Sperrwirkung nach § 7 StraBEG kann außerdem nur durch das leicht feststellbare physische Erscheinen eines Betriebsprüfers herbeigeführt werden.
Orientierte man sich allein am Wortlaut des § 7 StraBEG, der ein Erscheinen des Prüfers "beim Steuerpflichtigen" voraussetzt, so könnte man meinen, dass nach dem Wortsinn der Gesetzesformulierung der Prüfer sich zum Steuerpflichtigen hin bewegen muss. Die Strafbefreiung wäre also nur dann ausgeschlossen, wenn die Prüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen stattfindet, aber nicht bei Prüfungen im FA.
Diese ausschließlich eng am Wortlaut orientierte Auslegung wäre indes zu kurz gegriffen. Sie ließe den Gesetzeszweck außer Acht. Der Zweck der Regelung, eine Brücke in die Steuerehrlichkeit zu eröffnen und einen Anreiz zur Umkehr für reuige Steuerhinterzieher zu bieten, erfordert gleichartige Maßstäbe für den Ausschluss der Steuerbefreiung durch Prüfungsmaßnahmen sowohl in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen als auch in den Räumen des FA. Der Regelungszweck würde verfehlt, wenn nach einem Kontakt des Steuerpflichtigen mit dem Prüfer im FA, bei dem der strafrechtlich ...