Satzungsregelungen zum Schutz der Gesellschafterminderheit
[Ohne Titel]
Dr. Martin Lohr, Notar
Der Gewinnanspruch des Gesellschafters zählt zu den wesentlichen Gesellschafterrechten. Die Details des Anspruchs sind gesetzlich nicht geregelt; insbesondere hat der Gesetzgeber – anders als in § 254 AktG – auf die Regelung einer Mindestausschüttung verzichtet, sondern grundsätzlich die Gewinnverwendung in das unternehmerische Ermessen der Gesellschafterversammlung gestellt. Damit erhöht sich das Risiko einer missbräuchlichen Mehrheitsentscheidung. Die Frage, wie die Minderheitsgesellschafter geschützt werden, wird nicht einheitlich beantwortet. Daher empfehlen sich entsprechende Satzungsklauseln. Der Beitrag beinhaltet eine kurze Zusammenfassung der Rechte des Minderheitsgesellschafters und schließt mit Formulierungsbeispielen zur Stärkung dieser Rechte ab.
1. Gesetzliche Regelung
Sofern die Satzung keine Klauseln zur Ergebnisverwendung vorsieht, beschließen die Gesellschafter nach § 29 Abs. 2 GmbHG mit einfacher Mehrheit über die Verwendung des Jahresergebnisses, d.h. darüber, ob Gewinn fortgeführt wird, Rücklagen zugeführt werden oder eine Ausschüttung erfolgt (zur Gewinnverwendung: Roser in Gosch/Schwedhelm/Spiegelberger, GmbH-Beratung, G 163 ff.; zu den Beschlussvoraussetzungen des Auszahlungsanspruchs: Schockenhoff, ZGR 2023, 1 [4 ff.]; Schockenhoff, GmbHR 2022, 945 [948], Heusel/Goette, GmbHR 2017, 385 [386 f.]). Besonderheiten gelten für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), bei der nach § 5a Abs. 3 GmbHG ein Viertel des um den Verlustvortrag des Vorjahres geminderten Jahresüberschusses in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist (zu den Einzelheiten: Altmeppen, 11. Aufl. 2023, § 5a Rz. 25 ff.).
2. Notwendigkeit zweier Beschlussfassungen
- Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses: Über die Gewinnverwendung kann nur wirksam beschlossen werden, wenn zuvor der Jahresabschluss festgestellt wurde (§§ 42 a, 46 Nr. 1 GmbHG), hierzu: Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 29 Rz. 15 m.w.N.; Heckschen/Kreußlein in Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 5. Aufl. 2023, Kap. 7 Rz. 11 ff.).
- Gewinnverwendungsbeschluss: Der Gewinnverwendungsbeschluss ist zwingende Voraussetzung des Gewinnauszahlungsanspruchs; ohne einen entsprechenden Beschluss kann somit die Auszahlung nicht verlangt werden (BGH v. 14.9.1998 – II ZR 172/97, GmbHR 1998, 1177; OLG Zweibrücken v. 28.5.2019 – 5 U 89/18 [zit. nach juris]).
Inhaltliche Trennung beider Beschlüsse: Beide Beschlüsse sind inhaltlich zu trennen, auch wenn sie im Regelfall zeitgleich gefasst werden (s. auch die Musterformulierung von Fric in Meyer-Landrut, Formular-Kommentar GmbH-Recht, 4. Aufl. 2019, D II 10): Stellen die Gesellschafter den Jahresabschluss fest und erfolgt eine Gewinnausschüttung ohne Gewinnverwendungsbeschluss, da die Gesellschafter letzteren irrtümlich nicht für erforderlich halten, ist auch nicht von einem konkludenten Verwendungsbeschluss auszugehen (BFH v. 1.6.2022 – I R 31/19, GmbHR 2023, 46 = GmbH-StB 2023, 37 [Krämer], aus diesem Grunde lag eine sonstige Ausschüttung i.S.d. § 27 Abs. 3 S. 2 KStG 1999 mit der Folge der Geltung des Halbeinkünfteverfahrens vor).
3. Minderheitenschutz bei der Gewinnverwendung
Der Minderheitsgesellschafter trägt folgende Risiken, die seine Gewinnansprüche beeinträchtigen können:
- Der Jahresabschluss wird nicht fristgerecht erstellt, so dass die Beschlüsse nicht getroffen werden können; in diesem Bereich sind jedoch Beeinträchtigungsmöglichkeiten durch die Mehrheit geringer, da die fristgerechte Erstellung dem Aufgabenbereich der Geschäftsführer (GF) unterliegt (Schockenhoff, GmbHR 2022, 945 [949]); gleichwohl besteht kein Anspruch des Gesellschafters gegen den GF auf Aufstellung des Jahresabschlusses (Heusel/Goette, GmbHR 2017, 385 [387]).
- Die Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses unterbleibt, so dass der Gewinnverwendungsbeschluss nicht getroffen werden kann.
- Die Gesellschafter beschließen über die Feststellung des Jahresabschlusses, verzögern jedoch die Beschlussfassung über die Gewinnverwendung.
- Die Beschlüsse werden getroffen, die Mehrheit beschließt aber eine Vollthesaurierung oder nur eine geringfügige Ausschüttung des Gewinns ("Hungerdividende").
4. Schutz vor Verzögerung der Beschlussfassung
Bezüglich der Verzögerung der Beschlussfassungen bejahen einige Autoren einen Anspruch des Minderheitsgesellschafters auf eine Vollausschüttung, wenn die gesetzlichen Höchstfristen (§ 42 Abs. 2a GmbHG) überschritten werden (Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, 20. Aufl. 2020, Rz. 17; Oppenländer, DStR 1996, 922 [927], wobei es auch nach dieser Auffassung möglich sein soll, abweichende Beschlüsse nach Fristablauf zu fassen, hierzu Schockenhoff, GmbHR 2022, 945 [954]).
5. Schutz vor einer Vollthesaurierung
Der Gesetzgeber stellt die Entscheidung über die Gewinnverwendung grundsätzlich in das unternehmerische Ermessen; eine Mindestausschüttung (wie sie § 254 AktG vorsieht) wurde nicht in das Gesetz aufgenommen. Die Frage, wie die Gesellschafterminderheit vor einer Vollthesaurierung oder vor der Ausschüttung geringer Beträge ("Hungerdividende") geschü...