Leitsatz
Freiberufler, die ihren Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung ermitteln, können gewillkürtes Betriebsvermögen bilden. Wollen sie eine Liquiditätsreserve für spätere Reinvestitionen schaffen, so können die nicht ausgezahlten Mittel auch für gängige und nicht verlustgeneigte Aktien oder Investmentfonds fließen. Gewillkürter Wertpapierbesitz muss nur intern aber zeitnah hinreichend deutlich als Betriebsvermögen dokumentiert werden. Es ist nicht erforderlich, dass dies auch gegenüber dem Finanzamt offenbart wird - etwa in Form eines Bestandsverzeichnisses, wenn die Steuererklärung abgegeben wird.
Sachverhalt
Eine aus Rechtsanwälten bestehende Freiberufler-GbR hatte in den Jahren 1999 und 2000 Aktien der Firmen DaimlerChrysler, Deutsche Post, Telefonica und Nokia mit betrieblichen Mitteln erworben. Die Dividendenerträge wurden in der betrieblichen Steuererklärung erfasst. Die Wertpapierdepots lauteten auf den Namen der beiden beteiligten Gesellschafter und wurden vom Steuerberater der Gesellschaft zeitnah auf ein Bestandskonto gebucht, von dem nichts entnommen wurde und das in die jährlich erstellte Übersicht über die Kapitalkontenentwicklung der Gesellschaft aufgenommen wurde. Nachdem ein Teil der Aktien mit Verlust abgestoßen wurde, wollte das Finanzamt den sich daraus ergebenden Verlust nicht im Rahmen der Betriebseinnahmen berücksichtigen.
Entscheidung
Das Finanzgericht Hamburg schloss sich der Auffassung der klagenden Rechtsanwälte an. Freiberufler, die zulässigerweise auf die Einnahmeüberschussrechnung ausweichen, sind nicht daran gehindert, gewillkürtes Betriebsvermögen zu bilden. Allerdings sind die Voraussetzungen insgesamt strenger als beim Bilanzierer: Zunächst müssen die Wertpapiere objektiv geeignet sein, den Betrieb zu fördern. Das wird immer dann angenommen, wenn keine absehbaren Verluste aus dem privaten in den betrieblichen Bereich verlagert werden. Bei den angeschafften Wertpapieren und Investmentfonds (Deutsche Post, Telefonica und Nokia sowie DaimlerChrysler bzw. Nordinvest) handelt es sich um Standardwerte, die in den Jahren bis einschließlich 2000 an den Märkten eine eindeutige Aufwärtstendenz zeigten. Ein spekulatives Element ist zwar mit jedem Wertpapiergeschäft verbunden: Dies reicht jedoch nicht aus bei der Anschaffung von Standardwerten in einem wirtschaftlich aufstrebenden Umfeld von einer Verlustgeneigtheit auszugehen. Die Kläger konnten ferner plausibel darstellen, dass für notwendige Neuanschaffungen eine Liquiditätsreserve gebildet werden sollte und diese einstweilen Ertrag bringend angelegt werden sollte. Die später tatsächlich getätigten Anschaffungen hielten sich auch im Umfang des Wertpapiererwerbs. Dass die Freiberufler dem Finanzamt die Zuordnung der Wertpapiere zum Betriebsvermögen nicht im Rahmen ihrer Steuererklärungen offenbart haben, schadet laut Finanzgericht Hamburg nicht. Es genügt, wenn einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit aus den Unterlagen ohne weitere Erläuterungen erkennbar ist, dass das betreffende Wirtschaftsgut als Betriebsvermögen behandelt werden sollte. Dabei war ausschlaggebend, dass bereits in der laufenden Buchhaltung die Wertpapieranschaffungen als betriebliche Vorgänge gebucht worden. Die Wertpapiere wurden in der jährlichen Übersicht zur Kapitalkontenentwicklung aufgenommen. Auch wurden die Dividenden und Veräußerungsgewinne als betriebliche Erlöse erfasst. Im Streitfall kam hinzu, dass die Wertpapiere aus betrieblichen Mittel angeschafft wurden, was für sich genommen für die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen jedoch nicht ausreichen würde. Als unschädlich hat das Finanzgericht schließlich erkannt, dass das Wertpapierdepot nicht auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts lautete, sondern nur auf die beiden Gesellschafter gemeinsam.
Hinweis
Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen, sie wurde jedoch nicht eingelegt. Es ist in der Tat selten, das ein Finanzgericht Veräußerungsverluste als betriebliche Ausgabe anerkennt, noch dazu bei einer Freiberufler-Personengesellschaft, die bei Kapitalanlagen allenfalls gewillkürtes Betriebsvermögen halten kann. Das Finanzgericht erkennt aber gerade keinen Fall der üblichen Machart, wenn die Kapitalanlage bei sich abzeichnender Verlustentwicklung zur Verlustrealisierung in ein Betriebsvermögen aufgenommen werden soll nach dem Motto: Gewinne steuerfrei vereinnahmen, Verluste steuerwirksam abschreiben. Die Rechtsanwälte gingen allerdings sehr sorgfältig und überlegt bei ihren Wertpapierkäufen vor. Sie haben in Standardwerte investiert und dafür gesorgt, dass die Buchhaltung die Wertpapierkäufe und -erträge zeitnah erfasst. Statt in festverzinsliche Wertpapiere haben sie eine aus betrieblichen Gründen erforderliche Liquiditätsreserve in Wertpapiere investiert, die eine höhere Rendite versprachen. Zwar liegen die Anforderungen bei der Zulässigkeit bei der Einnahmeüberschussrechnung höher als bei Bilanzierern, das Finanzgericht ha...