Rz. 20
Die bisherige Rechtsprechung und die Verwaltungsanweisungen haben bei der Auslegung des Begriffs "Wertverhältnisse" auf eine Abgrenzung zu den sog. "tatsächlichen Verhältnissen" zurückgegriffen.
Auch die amtliche Begründung zum BewÄndG 1965 (s. Anm. 2 f.), die Fortschreibungs-Richtlinien (s. Anm. 36) und der gleichlautende Ländererlass vom 14.1.1972 (s. Anm. 38) stellen auf die Abgrenzung "Wertverhältnisse" und "tatsächliche Verhältnisse" ab.
Hiernach umfasst der Begriff der "Wertverhältnisse" beim Grundvermögen vor allem "die wirtschaftlichen Verhältnisse, die ihren Niederschlag in den Grundstücks- und Baupreisen und im allgemeinen Wertniveau gefunden haben." Zu den "tatsächlichen Verhältnissen" gehören nach diesen Anweisungen "alle Änderungen am Grundstück, die durch Einzelmaßnahmen oder Einzelumstände bewirkt worden sind (z.B. der Wegfall der Grundsteuervergünstigung oder der Grundsteuerbeihilfe für Arbeiterwohnstätten, das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert") oder die auf einem Bebauungsplan, auf Erschließungsmaßnahmen sowie auf Änderung der besonderen Verkehrsverhältnisse beruhen".
Rz. 21
Mit dieser Aufzählung sind die für die Einordnung in eine der beiden Gruppen "Wertverhältnisse" oder "tatsächliche Verhältnisse" in Betracht kommenden tatsächlichen Lebenssachverhalte nicht erschöpfend dargestellt, so dass es im Einzelfall zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen kann.
Rz. 22
Grundgedanke und Sinn des § 27 BewG ist, die Gleichmäßigkeit der Bewertung und Besteuerung zu sichern. Deshalb soll für alle Bewertungsfaktoren das Wertniveau im Hauptfeststellungszeitpunkt während des ganzen Hauptfeststellungszeitraumes beibehalten werden, also erstarren. Alle allgemeinen Wertsteigerungen, wie z.B. eine inflatorische Steigerung der Mieten, Steigen der Bodenpreise und der Baukosten, müssen unberücksichtigt bleiben. Der Wegfall einer Grundsteuervergünstigung, das Auslaufen einer vertraglichen oder gesetzlichen Regelung über die Anrechnung bzw. das Abwohnen von Mietvorauszahlungen oder von Baukostenzuschüssen bei einem bestimmten Grundstück sind keine Umstände, die das Wertniveau vom Hauptfeststellungszeitpunkt beeinflussen. Der Wegfall einer Grundsteuervergünstigung ergibt sich daraus, dass für einen bestimmten Wohnraum der Vergünstigungszeitraum abgelaufen ist oder die Voraussetzungen für die Vergünstigung nicht mehr erfüllt sind. Ebenso bedeutet das Auslaufen der Anrechnung von Mietvorauszahlungen oder der Wegfall einer Erstattung von Baukostenzuschüssen, dass die Vorauszahlungen bzw. der Zuschuss abgewohnt sind. Betreffen diese Umstände also nicht das Wertniveau, dann steht auch nach § 27 BewG nichts im Wege, sie bei einer Fortschreibung oder Nachfeststellung zu berücksichtigen, sofern auch die sonstigen Voraussetzungen (insb. des § 22 BewG) erfüllt sind.
Der BFH hat nicht zuletzt wegen der Abgrenzungsproblematik zwischen den Wertverhältnissen nach § 27 BewG, deren Veränderung nicht zu berücksichtigen ist, und den tatsächlichen Verhältnissen nach § 22 BewG, deren Veränderung zu berücksichtigen ist, dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften zur Einheitsbewertung des Grundbesitzes für Stichtage ab dem 1.1.2009 noch verfassungsgemäß sind.
Rz. 23– 25
Einstweilen frei.