Rz. 204

[Autor/Stand] Der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften war für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen. Hieraus folgte, dass der Wert des Unternehmens zu ermitteln und auf die Anteile umzulegen ist. Dieser gesetzliche Auftrag bedurfte normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften.[2] Die Finanzverwaltung hat schon frühzeitig einheitliche Richtlinien zur Wertermittlung entwickelt, die im Laufe der Zeit aus den Erfahrungen der Praxis und der Rechtsprechung ergänzt und auch geändert worden sind. Sie waren für die Gerichte nicht verbindlich, wurden jedoch von der Rechtsprechung als geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt, um die Einheitlichkeit der Bewertung zu gewährleisten. Sie hatten den Rechtscharakter einer Normkonkretisierung.[3] Abweichungen waren nur zulässig, wenn die Anwendung der Richtlinien zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führte.[4] Die Richtlinien zur Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften waren ein brauchbares Hilfsmittel[5], das Ausdruck einer zugunsten des Steuerpflichtigen vorsichtigen Bewertung war.[6] Die Finanzgerichte brauchten entgegen einer früheren Entscheidung[7] sich nicht in anderer Weise davon zu überzeugen, dass der nach den Richtlinien geschätzte Wert dem gemeinen Wert entsprach.[8]

 

Rz. 205

[Autor/Stand] Die "Typengerechtigkeit" hatte Vorrang vor einer individuellen Gerechtigkeit, von der befürchtet werden müsste, dass sie mangels Praktikabilität in ihr Gegenteil verkehrt würde.[10] Diese rechtsähnliche Bindung an die Richtlinien, die jedoch weder für die Gerichte noch für die Verwaltung mit einer rechtlichen Bindung gleichgesetzt werden darf[11], wurde in der Literatur zum Teil beklagt[12]. Sie beruhte jedoch auf der Überlegung, dass ein unter dem Stichtagsprinzip stehendes steuerliches Massenbewertungsverfahren, das auf Gleichmäßigkeit der Bewertung abstellte, einer gewissen Formalisierung bedurfte.[13] Deshalb konnte beispielsweise ein branchenspezifisch zu erwartender Rückgang der Konjunktur nicht dazu führen, das Stuttgarter Verfahren nicht anzuwenden.[14] Theoretisch hätten die Anteile an nicht notierten Gesellschaften jährlich bewertet werden müssen, in der Praxis allerdings i.A. nur im Abstand von drei Jahren. Mit dem Wegfall der Vermögensteuer ab 1997 sind jedoch Anteile an Kapitalgesellschaften nur noch bei Bedarf für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer zu bewerten.

 

Rz. 206

[Autor/Stand] Die Richtlinien zur Anteilsbewertung waren 1953 und 1957 in einer besonderen Verwaltungsanordnung zusammengefasst. Seit 1960 wurden sie in die Vermögensteuer-Richtlinien und seit 1998 in die Erbschaftsteuer-Richtlinien aufgenommen. Sie werden als Stuttgarter Verfahren bezeichnet. Zur Entwicklung der Richtlinie "in historischer Sicht" s. Barth[16] und Bierle[17].

 

Rz. 207– 208

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.07.2017
[2] Zu diesem Begriff s. Gerhardt, NJW 1989, 2233.
[3] Uelner in FS für Flick, S. 601.
[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.07.2017
[12] Z.B. Barth, Die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften für Zwecke der Vermögensteuer, 1974, S. 32.
[13] So Werndl, in Raupach (Hrsg.), Werte und Wertermittlung im Steuerrecht, S. 414.
[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.07.2017
[16] Barth, Die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften für Zwecke der Vermögensteuer, 1974, S. 33 f.
[17] Bierle, Die steuerliche Anteilsbewertung, 1974, S. 7 f.
[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.07.2017

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