Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 185
Wurde ein bebautes Grundstück oder ein Teil hiervon
- nicht oder
- vom Eigentümer oder dessen Familie selbst genutzt,
- anderen unentgeltlich zur Nutzung überlassen oder
- an Angehörige (§ 15 AO) oder Arbeitnehmer des Eigentümers vermietet,
tritt an die Stelle der Jahresmiete die übliche Miete (§ 146 Abs. 3 Satz 1 BewG). Bei der üblichen Miete handelt es sich um die Miete, die für vergleichbare Gebäude oder Gebäudeteile unter Fremden auf dem Mietenmarkt gezahlt wird, wobei von nicht preisgebundenen Grundstücken auszugehen ist (§ 146 Abs. 3 Satz 2 BewG a.F.). Die übliche Miete ist wie die Jahresmiete eine Nettokaltmiete; Betriebskosten bleiben auch hier außer Ansatz. Für die Ableitung der üblichen Miete dürfen Mieten, die auf ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnissen beruhen, nicht berücksichtigt werden (§ 146 Abs. 3 Satz 3 BewG).
Rz. 186
Im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags wird zur üblichen Miete Folgendes ausgeführt:
„In den Fällen, in denen keine Miete gezahlt wird oder aufgrund der tatsächlichen Umstände darauf geschlossen werden kann, dass die Miete nicht unter marktgerechten Bedingungen vereinbart wurde, ist die übliche Miete als Berechnungsgrundlage heranzuziehen. Die Ermittlung der üblichen Miete stellt für die Finanzämter keine Neuheit dar; vor allem für Einkommensteuerzwecke wurden und werden Vergleichsmieten ermittelt. Die individuelle Ermittlung ermöglicht ein wesentlich genaueres Eingehen auf die individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls als die Heranziehung von Mietspiegeln, die für einen größeren Bezirk aufgestellt wurden. So können beispielsweise Vergleichsmieten aus dem selben Haus oder der selben Wohnanlage herangezogen werden. Eine Wertermittlung durch "externen" Vergleich, also die Heranziehung objektiv vergleichbarer, jedoch nicht von marktfremden Überlegungen verfälschter Wertvereinbarungen ist ein Standardinstrument der Finanzverwaltung.
Akzeptabel ist das Fehlen der Transparenz in dem Sinne, dass der Bürger nicht von vornherein feststellen kann, welchen Mietwert das Finanzamt bei der Berechnung letztlich zugrunde legen wird. Da der Steuerpflichtige aber durch seine Angaben in der Steuererklärung und durch Anhörung in dem weiteren Verfahren an der Festlegung der üblichen Miete mitwirken kann und die Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten häufig als gerechter empfunden wird als notwendig gröber kategorisierende typisierende Verfahren, kann dies hingenommen werden.
Auch der Koalitionsentwurf bejaht die Eignung der üblichen Miete als Berechnungsgrundlage für ein Ertragswertverfahren. Anders als dort (Art. 1–§ 154 Abs. 3 Satz 6 Nr. 2 BewG) wird jedoch nicht an eine prozentuale Abweichung von der üblichen Miete angeknüpft, da dies in jedem Fall Überlegungen zur Höhe der Vergleichsmiete auslösen müßte. Anhaltspunkte für die Ermittlung sollen vielmehr neben dem Fehlen einer Miete überhaupt objektiv feststellbare Verbindungen zwischen Vermieter und Mieter sein, die Einfluss auf die Miethöhe haben könnten.”
Rz. 187
Arndt weist in diesem Zusammenhang auf faktische Bedenken am Beispiel seines eigenen Zweifamilienhauses hin:
„Zur Veranschaulichung sei es dem Gutachter erlaubt, zunächst auf ein eigenes, jederzeit nachprüfbares Beispiel zurückzugreifen, um sodann daraus generalisierende Folgerungen zu ziehen: Bis März 1995 betrug die Mietwertschätzung in der eigengenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus (ein etwa 100 Jahre altes Haus in guter Wohnlage in Neustadt a.d.W.) 5 DM pro qm. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erhöhte der Prüfer diesen Wert im März 1995 auf 7,50 DM. Der im Oktober 1995 veröffentlichte Mietpreisspiegel der Stadt benennt einen Wert von 8,50 DM. Der den Betriebsprüfungsbericht auswertende Veranlagungsbeamte, der nach eigenem Bekunden das Haus (von außen) "gut kennt", wollte den Wert im Januar 1996 auf 12,50 DM erhöhen. Sämtliche Häuser in der Nachbarschaft werden eigengenutzt.
Was zeigt dieses Beispiel? Gesetzt den Fall, der Gutachter werde in nächster Zeit zu einem "Vermögensteuerverdachtsfall" und damit zu einem potentiellen Opfer der Bedarfsbewertung bei der Ermittlung des Wertes seines Grundbesitzes, so stehen innerhalb einer Zeitspanne von nur neun Monaten vier offiziöse "übliche Mieten" mit einer Streubreite von 150 % zur Verfügung. Nimmt man noch hinzu, dass es so etwas wie eine "übliche Miete" in der betreffenden Wohngegend gar nicht gibt, so dürfte jede Festlegung ein Element des Beliebigen in sich bergen. Bedenkt man schließlich, dass die verfassungsrechtlich geforderte Belastungsgleichheit einer Streit vermeidenden Flexibilität der Bewertung deutliche Grenzen setzt, so steht die Finanzverwaltung beim Rohmietenverfahren vollends zwischen Skylla und Scharyptis: Die Skylla der Belastungsgleichheit hindert sie, die "übliche Miete" eher gering zu bemessen, die Scharyptis der Überbewertung führt zu Streit, Verwaltungsaufwand und Prozessen. Die verbleibende schiffbare Rinne dürfte kaum be...