Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
a) Keine enge Bindung an die Steuerbilanz
Rz. 313
Der Umfang der zum Substanzwert gehörenden Wirtschaftsgüter wird von der Finanzverwaltung weit ausgelegt. Diese Auslegung ist angesichts des mit dem Ansatz eines Mindestwerts angestrebten Regelungszwecks nachvollziehbar, m.E. allerdings nicht zwingend.
aa) Bestandsidentität vor dem 1.1.2009
Rz. 314
Für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 war sowohl bei der Ermittlung des Werts des Betriebsvermögens als auch bei der Ermittlung des Werts des Vermögens einer Kapitalgesellschaft der Grundsatz der sog. Bestands- und Bewertungsidentität zu beachten.
Rz. 315
§ 98a BewG regelte die Bewertungsgrundsätze. Der Wert des Betriebsvermögens wurde in der Weise ermittelt, dass die Summe der Werte, die für die "zum Gewerbebetrieb gehörenden" Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze (Rohbetriebsvermögen) ermittelt worden sind, um die Summe der Schulden und sonstigen Abzüge gekürzt wurde. Welche Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze zum Gewerbebetrieb gehörten, ergab sich grundsätzlich aus § 95 BewG. Danach umfasste das Betriebsvermögen grundsätzlich alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S.d. § 15 Abs. 1 und 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Daraus der Grundsatz der sog. Bestandidentität abgeleitet.
Rz. 316
In die nach R 114 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2003 für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer zu fertigende Vermögensaufstellung waren nur solche Wirtschaftsgüter, sonstige aktive Ansätze, Schulden oder sonstige Abzüge zu erfassen, die auch in der Steuerbilanz ausgewiesen wurden. Bilanzposten, die zwar in der Handels-, nicht aber in der Steuerbilanz ausgewiesen wurden, konnten in der Vermögensaufstellung nicht angesetzt werden.
Rz. 317
Der Grundsatz der Bestandsidentität wurde durchbrochen, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben war. Dies war beispielsweise bei der bei der Frage der Fall, ob ein Grundstück als Betriebsgrundstück zu behandeln ist (§ 12 Abs. 5 ErbStG a.F., § 95 Abs. 1 und § 99 Abs. 2 BewG a.F.).
bb) Bewertungsidentität vor dem 1.1.2009
Rz. 318
Für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 war nicht nur der Grundsatz der Bestandsidentität, sondern auch der Grundsatz der Bewertungsidentität zwischen Steuerbilanz und Vermögensaufstellung maßgebend. Nach der Formulierung des § 109 Abs. 1 BewG waren die "zu einem Gewerbebetrieb gehörenden" Wirtschaftsgüter, sonstigen aktiven Ansätze, Schulden und sonstigen passiven Ansätze mit den Steuerbilanzwerten anzusetzen.
Rz. 319
Der Grundsatz der Bewertungsidentität wurde durchbrochen, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben war. Dies war beispielsweise beim Ansatz des Grundbesitzwerts (§ 12 Abs. 3 und 5 ErbStG a.F.) für Betriebsgrundstücke oder beim Ansatz des Kurswerts für Wertpapiere (§ 12 Abs. 5 Satz 3 ErbStG a.F.) der Fall.
Rz. 320– 323
Einstweilen frei.
b) Weite Auslegung durch die Finanzverwaltung
Rz. 324
Zwar ähnelt die für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 geltende Regelung des § 11 Abs. 2 BewG sehr der bisherigen Formulierung des § 98a BewG, wonach die "zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge" den Substanzwert bilden. Der Wortlaut des § 95 BewG hat sich hinsichtlich des Umfangs des Betriebsvermögens nicht geändert. Völlig unverändert verweist § 95 Abs. 1 BewG auf alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S.d. § 15 Abs. 1 und 2 EStG, die das bewertungsrechtliche Betriebsvermögen umfassen.
Rz. 325
Obwohl der Wortlaut der maßgebenden Vorschriften nahezu unverändert ist, hat sich die Finanzverwaltung bereits im BV-Erlass vom 25.6.2009 für eine weite Auslegung des Umfangs des Betriebsvermögens entschieden.
Rz. 326
Abschn. 9 Abs. 2 BV-Erlass vom 25.6.2009 geht davon aus, dass bei bilanzierenden Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen die Anknüpfung an die Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung regelmäßig zu einer Identität zwischen Steuerbilanz auf den Bewertungsstichtag oder den Schluss des letzten vor dem Bewertungsstichtag endenden Wirtschaftsjahr und dem bewertungsrechtlichen Betriebsvermögen führt. Dennoch wird der Grundsatz der Bestandsidentität nicht nur bei den gesetzlich konkret genannten Ausnahmen, sondern bei Bewertungsstichtagen nach dem 31.12.2008 nach der Auffassung der Finanzverwaltung auch bei anderen Ansätzen wie beispielsweise bei selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens oder bei Drohverlustrückstellungen durchbrochen. Mit den ErbStR 2011 ist diese Auffassung übernommen worden.
Rz. 3...