Rz. 91
Eine wirtschaftliche Überalterung eines Gebäudes liegt vor, wenn die durch die Entwicklung der einschlägigen Technik bewirkte wirtschaftliche Abnutzung intensiver ist als die technische Abnutzung. Ergebnis der wirtschaftlichen Überalterung ist der vorzeitige Abbruch bzw. die Preisgabe des Grundstücks für den Verfall. Eine wirtschaftliche Überalterung kann auch vorliegen, wenn das Gebäude infolge fehlender Verwendungsmöglichkeit grundlegend umgebaut wird. Eine technische Überalterung beinhaltet demgegenüber die Abnutzung eines Gebäudes in Form des natürlichen Verschleißes. Sie wird entsprechend dem Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt und der gewöhnlichen Lebensdauer – ausgedrückt in einem Hundertsatz – durch eine entsprechende Minderung des Gebäudenormalherstellungswertes im Rahmen der herkömmlichen laufenden Abschreibung berücksichtigt.
Vor dem dargestellten Hintergrund wird deutlich, dass es sich bei dem Abschlag für wirtschaftliche Überalterung lediglich um eine Korrektur der von der gewöhnlichen Lebensdauer ausgehenden Wertminderung wegen Alters handelt. Bei der in diesem Zusammenhang angewendeten Gesetzestechnik ist zu beachten, dass technische und wirtschaftliche Überalterung insofern nicht gleichbehandelt werden. Während der Gesetzgeber die Berücksichtigung der technischen Überalterung über § 86 BewG gesondert erfasst, wird die wirtschaftliche Überalterung im Rahmen der sonstigen Ermäßigungsgründe nach § 88 BewG berücksichtigt.
Rz. 92
Eine wirtschaftliche Überalterung liegt nicht allein deshalb vor, weil ein Gebäude im Feststellungszeitpunkt schon ein bestimmtes Alter erreicht hat. Der Wertunterschied zwischen einem alten und einem neuen Gebäude wird bereits ausreichend durch die Wertminderung nach § 86 BewG berücksichtigt. Auch bei neuen Gebäuden, insbesondere bei sog. Einzweckgebäuden, kann eine Ermäßigung wegen wirtschaftlicher Überalterung nach § 88 Abs. 2 BewG in Betracht kommen. Aus dem Umstand heraus, dass im Rahmen der Ertragsbesteuerung allgemein eine geringere Lebensdauer zugrunde gelegt wird, kann eine Ermäßigung wegen wirtschaftlicher Überalterung nicht begründet werden.
Rz. 93
Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die Gewährung eines Abschlags wegen wirtschaftlicher Überalterung voraus, dass die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes aus objektiv wirtschaftlich zwingenden Gründen gegenüber der gewöhnlichen (technischen) Nutzungsdauer verkürzt ist. Die Ermäßigung wegen wirtschaftlicher Überalterung kann somit nur zu einer Korrektur der nach der gewöhnlichen Lebensdauer berechneten Minderung wegen Alters für den Fall führen, dass der wirtschaftliche Wertverzehr des Gebäudes größer als die technische Abnutzung ist. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn nach der bis zum Feststellungszeitpunkt eingetretenen Entwicklung mit einem hohen Maß an Sicherheit angenommen werden kann, dass der Zeitraum der tatsächlichen Verwendung des gesamten Gebäudes gegenüber der gewöhnlichen Lebensdauer verkürzt ist, d.h. mit einem vorzeitigen Abbruch oder Verfall des Gebäudes aus objektiven wirtschaftlich zwingenden Gründen zu rechnen ist. Für die Beantwortung der Frage, ob am Bewertungsstichtag eine wirtschaftlich vernünftige Nutzungs- oder Verwertungsperspektive für die gesamte noch bestehende Zeit der technischen Nutzungsdauer erkennbar war, ist ggf. ein Sachverständigengutachten einzuholen. Mögliche oder auch nur wahrscheinliche Entwicklungen reichen für die Begründung eines solchen Abschlages nicht aus. Es ist aber nicht erforderlich, dass mit dem Abbruch des Gebäudes bereits in absehbarer Zeit (kurz- bzw. mittelfristig) gerechnet werden muss. Auch bei einem erst langfristig anstehenden Gebäudeabbruch kann einen Abschlag wegen wirtschaftlicher Überalterung begründen sein. Besteht die Möglichkeit, dass das Gebäude an einer anderen Stelle wieder aufgebaut wird, sollte in diesem Fall kein Bewertungsabschlag nach § 88 Abs. 2 BewG in Betracht kommen. Es dürfte in diesem Fall an der für einen Abschlag erforderlichen Wertminderung fehlen.
Rz. 94
Ebenfalls kein Abschlag wegen wirtschaftlicher Überalterung kommt in Betracht, wenn ein Gebäude nur aus Zweckmäßigkeitsgründen früher abgebrochen werden soll. Geplante bauliche Veränderungen (Ein- und Umbauten) rechtfertigen nicht die Annahme einer wirtschaftlichen Überalterung. Eine Ermäßigung kann deshalb nicht schon dann in Anspruch genommen werden, wenn z.B. für eine vergleichbare Neuanschaffung großzügigere Gebäude bzw. größere Betriebsflächen im Interesse einer gesteigerten Produktivität erforderlich sind. Voraussetzung für einen Abschlag ist vielmehr, dass die bis zum Bewertungsstichtag eingetretene Entwicklung es als sicher erscheinen lässt, dass die vorhandenen Gebäude wegen wirtschaftlicher Überalterung vorzeitig abgebrochen oder unbenutzbar werden.
Rz. 95
Ob und ggf. in welchem Ausmaß eine wirtschaftliche Überalterung vorliegt, ist nicht aus der Sicht ...