Rz. 171
§ 95 BewG bildet die grundlegende Norm im Unterabschnitt D. des Ersten Abschnitts im II. Teil des BewG über das inländische Betriebsvermögen. § 95 BewG umschreibt den Begriff des (gewerblichen) Betriebsvermögens und regelt dessen Umfang (Bestand). Durch die Verweisung in § 96 BewG auf § 95 BewG entfaltet diese Norm auch Bedeutung für den Begriff und den Umfang des freiberuflichen Betriebsvermögens und des Betriebsvermögens der Einnehmer einer staatlichen Lotterie, soweit letztere ihre Tätigkeit nicht ohnehin im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausüben.
Rz. 172
§ 97 BewG ergänzt § 95 BewG, verdrängt ihn aber nicht. Er trägt den besonderen Umständen Rechnung, welche sich in Bezug auf den Bestand des Betriebsvermögens von inländischen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen sowie hinsichtlich der Aufteilung des Betriebsvermögens auf die beteiligten Gesellschafter und Gemeinschafter ergeben.
Rz. 173
Die Wortlaute des § 95 Abs. 1 BewG sowie der Eingangspassage des § 97 Abs. 1 Satz 1 (Nr. 5) BewG sind nur unvollkommen aufeinander abgestimmt. So heißt es in § 95 Abs. 1 Satz 1 BewG, dass das "Betriebsvermögen (...) alle Teile eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (umfasst), die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören." Demgegenüber lautet § 97 Abs. 1 Satz 1 BewG, einen "Gewerbebetrieb bilden insbesondere alle Wirtschaftsgüter, die den folgenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen gehören (...)".
Rz. 174
Diese unterschiedlichen Formulierungen bieten einen Anlass zu Missverständnissen in Bezug auf den Umfang des Betriebsvermögens der in § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG genannten Personengesellschaften: Bei einer reinen Wortlautinterpretation des § 97 Abs. 1 Satz 1 BewG gehören sämtliche Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens (Gesamthandsvermögens) der Personengesellschaft zum bewertungsrechtlichen Betriebsvermögen, und zwar auch dann, wenn sie in ertragsteuerrechtlicher Sicht weder zum notwendigen noch zum gewillkürten Betriebsvermögen der Personengesellschaft rechnen, was beispielsweise dann zutrifft, wenn ein zum Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) der Personengesellschaft gehörendes Einfamilienhaus-Grundstück von einem oder mehreren Gesellschaftern zu eigenen (privaten) Wohnzwecken genutzt wird. Wendet man demgegenüber (allein) die Grundnorm des § 95 BewG an, so besteht kein Zweifel daran, dass das soeben erwähnte von den Gesellschaftern zu eigenen Wohnzwecken genutzte Einfamilienhaus-Grundstück zwingend (notwendiges) Privatvermögen der Personengesellschaft darstellt.
Rz. 175
Dieser Konflikt ist im Anschluss an die Ergebnisse der Auffassungen der Finanzverwaltung und der h.L. dergestalt aufzulösen, dass gem. der gesetzlichen Anweisung in § 95 Abs. 1 BewG die ertragsteuerrechtlichen Grundsätze maßgebend sind. Der insoweit überschießende und daher irreführende sowie mit § 95 Abs. 1 BewG kollidierende Wortlaut des § 97 Abs. 1 Satz 1 (Nr. 5) BewG ist im Wege der teleologisch-verfassungskonformen Reduktion einschränkend zu interpretieren. Die Gegenauffassung führt zu einer mangels sachlicher Differenzierungsgründe nicht zu legitimierenden und mithin vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht haltbaren Ungleichbehandlung von Personengesellschaften und Einzelunternehmern (vgl. auch Rz. 1193 ff.).
Rz. 176– 195
Einstweilen frei.