Rz. 571
Nur Anteile an Gesamthandsgesellschaften können per Anwachsung auf die übrigen Gesellschafter übergehen, Anteile an Kapitalgesellschaften hingegen nicht; eine § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende Regelung gibt es nicht. Als Geschäftsanteile an einer GmbH oder Aktien an einer AG verkörpern sie gegenständlich die Beteiligungen der einzelnen Gesellschafter an diesen Gesellschaften (§§ 5, 55 ff. GmbHG; §§ 8, 182 ff. AktG). Will ein Gesellschafter die Kapitalgesellschaft zu Lebzeiten verlassen, muss er seine Anteile daher grundsätzlich derivativ übertragen (§§ 398, 413 BGB; § 15 GmbHG – s. aber Rz. 585 f.).
Rz. 572
Die "anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft" können zwar auf diese Weise seine Beteiligung zivilrechtlich erwerben. Eine solche rechtsgeschäftliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen ist jedoch nicht tatbestandsmäßig i.S.d. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG. Dies entschied der BFH schon 1992 zur Abtretung von Kommanditanteilen und – mit Blick auf die aktuelle Fassung der Vorschrift – inzwischen auch zur Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH; § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG (s. Rz. 598) wurde hierbei allerdings ausgeblendet.
Rz. 573
Wie sich die Finanzverwaltung verhalten wird, ist derzeit nicht sicher abzusehen. Sie geht weiterhin davon aus, dass § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG auch Anteile an Kapitalgesellschaften "betrifft", zitiert zugleich aber das BFH-Urteil II R 70/88 aus 1992. Im Übrigen scheint sie zu unterscheiden, ob die Kapitalgesellschaft selbst oder Mitgesellschafter die Anteile erwerben. Im Falle des "Übergangs" eines Anteils auf die Gesellschaft (Erwerb eigener Anteile) gegen Abfindung sei § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG anzuwenden – übrigens als Spezialvorschrift ggü. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. Gebe z.B. ein ausscheidender Gesellschafter seinen Anteil an die Gesellschaft zum Buchwert zurück(?), liege eine Schenkung an die Gesellschaft selbst vor; ob nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG oder § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bleibt hierbei offen. Eine Steuerbarkeit nach beiden Vorschriften wird jedoch verneint, wenn ein Gesellschafter seine Anteile zu einem zu niedrigen Preis an die Gesellschaft "veräußere", jedoch sei § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu prüfen. Im Falle einer streitig gewordenen Anteilsübertragung zwischen Gesellschaftern nahm das beklagte Schenkungsteuerfinanzamt die bereits eingelegte Revision gegen das FG-Urteil zurück und akzeptierte die damit rechtskräftig gewordene Ablehnung der Besteuerung einer unentgeltlich erfolgten Anteilsabtretung. Man erwartete allerdings wohl kein abweichendes Revisionsurteil, weil der Sachverhalt in wesentlichen Punkten mit dem Urteilsfall des BFH v. 6.5.2020 vergleichbar war, in dem sich der II. BFH-Senat veranlasst gesehen hatte, das unterlegene Finanzamt vorsorglich von einer Inanspruchnahme involvierter Mitgesellschafter abzuhalten.
Rz. 574
Für die (Gestaltungs-)Praxis gilt momentan: Die Finanzverwaltung vertritt noch nicht den Standpunkt, der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG sei "bei einem derivativen (Anteils-)Erwerb nie eröffnet". Ungeklärt ist z.B. der Fall des tatsächlichen Erwerbs eigener Anteile durch eine Kapitalgesellschaft von einem ausscheidenden Gesellschafter; offen ist auch die Besteuerung von (Anteils-)Übertragungen, die nach Satz 3 in sinngemäßer Anwendung des Satzes 1 zu besteuern sind (s. Rz. 595, 596). Solange sie jedoch nicht offiziell mit präzisen Weisungen auf die immerhin amtlich veröffentlichte BFH-Rechtsprechung reagiert, dürfte die Neigung der Schenkungsteuerfinanzämter zwar gering sein, voreilig die Karte des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG zu ziehen. Anteilsübertragungen ohne oder gegen den Anteilswert unterschreitende Gegenleistungen sind allerdings stets den zuständigen Schenkungsteuerstellen anzuzeigen; die Anzeigepflicht trifft Erwerber und Schenker (§ 30 Abs. 1, 2 ErbStG), die Steuerschuldner (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG), unabhängig davon, ob es sich hierbei um nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG oder nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG schenkungsteuerbare Vorgänge handelt (s. auch § 8 Abs. 2, 4 ErbStDV – § 34 ErbStG Rz. 11 ff.). In einschlägigen Fällen mag es durchaus schwierig sein, die schenkungsteuerliche Rechtslage zutreffend zu beurteilen und die Besteuerung, vor allem auch unter Beachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften, individuell rechtssicher und rechtzeitig vorzunehmen; so gelangte z.B. der Sachverhalt des zit. BFH-Urteils II R 34/17 mehrmals vor das FG Düsseldorf und den II. BFH-Senat. Man sollte daher daran denken, dass sich mit einer möglichst vollständigen Anzeige der entscheidungserheblichen Umstände die ansonsten faktisch unbegrenzte Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist (§ 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO) vermeiden lässt (s. § 30 ErbStG Rz. 6).
Rz. 575
Der Bedarfsbewertung unterliegen nur Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht an einer deutschen Börse gehandelt werden (§ 12 ...