Rz. 138

[Autor/Stand] Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BewG bilden insbesondere alle Wirtschaftsgüter, die inländischen Kapitalgesellschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Kreditanstalten des öffentlichen Rechts gehören, einen (einzigen) Gewerbebetrieb. Kraft ihrer Rechtsform werden diese inländischen Körperschaften usw. als Gewerbetreibende und ihr gesamtes Vermögen als Betriebsvermögen behandelt (vgl. auch § 8 Abs. 2 KStG und § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Dabei spielt auch keine Rolle, ob die betreffenden Körperschaften oder Vermögensmassen genuin ein Gewerbe ausüben oder nicht.[2] § 97 Abs. 1 Satz 1 BewG statuiert insoweit eine (nicht widerlegbare) Fiktion, die keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.[3]

 

Rz. 139

[Autor/Stand] Deshalb bilden alle Wirtschaftsgüter der in § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BewG genannten Körperschaften und Vermögensmassen auch dann einen Gewerbebetrieb, wenn die betreffenden Unternehmensrechtsträger keine Einkünfteerzielungsabsicht verfolgen (sog. Liebhaberei), eine genuin land- und forstwirtschaftliche Betätigung entfalten oder die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zur gewerblichen Tätigkeit nicht überschreiten.[5]

 

Rz. 140

[Autor/Stand] Ebenso wenig spielt es für die Eigenschaft eines der in § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BewG genannten Körperschaften und Vermögensmassen gehörenden einzelnen Wirtschaftsguts eine Rolle, ob dieses dem Gewerbebetrieb dient oder nicht.

 

Rz. 141

[Autor/Stand] Unterhält eine der in Rede stehenden Körperschaften und Vermögensmassen mehrere – nach allgemeinen Grundsätzen eigenständige – Betriebe, so liegt gleichwohl nur ein einheitliches Betriebsvermögen vor mit der Folge, dass nur ein einheitlicher Betriebsvermögenswert festzustellen ist.

 

Rz. 142

[Autor/Stand] Infolge des bei Kapitalgesellschaften anzuwendenden "Trennungsprinzips" bildet der Anteil an einer Kapitalgesellschaft ein eigenständiges Wirtschaftsgut. Die einer Kapitalgesellschaft gehörenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter (Vermögensgegenstände und Schulden) sind ihr selbst und nicht – anteilig – den Anteilseignern zuzurechnen. Vermögensinhaberin in Bezug auf die aktiven Wirtschaftsgüter und Schuldnerin der sie treffenden Verbindlichkeiten ist die Kapitalgesellschaft selbst, nicht sind es die hinter ihr stehenden Anteilseigner. Den Erwerbsgegenstand i.S.d. Erbschaft- und Schenkungsteuerechts bildet folglich der Anteil an der Kapitalgesellschaft selbst und nicht etwa ein – wie dargelegt – nicht existierender Anteil des Anteilseigners am (Rein-)Vermögen der Kapitalgesellschaft oder gar an den einzelnen aktiven Wirtschaftsgütern und Schulden. Gleichwohl wird der Wert des Anteils an einer Kapitalgesellschaft aus dem vorab zu ermittelnden gemeinen Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft abgeleitet.

 

Rz. 143

[Autor/Stand] Nach der durch Art. 2 Nr. 6 ErbStRG 2009[10] eingefügten Regelung des § 97 Abs. 1b BewG wird der gemeine Wert des Betriebsvermögens einer Kapitalgesellschaft nicht mehr – wie zuvor – in einer relativen Größe, sondern in einem absoluten Betrag berechnet. Diese Berechnung vollzieht sich in zwei Schritten:

 

Rz. 144

[Autor/Stand] In einem ersten Schritt wird entsprechend § 11 Abs. 2 BewG n.F. der gemeine Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft ermittelt. In einem zweiten Schritt wird sodann der Wert des betreffenden Kapitalgesellschaftsanteils nach dem Verhältnis des übergegangenen bzw. übertragenen Anteils am Nennkapital (Grund- oder Stammkapital) zum gemeinen Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft bestimmt. Der so ermittelte Beteiligungswert wird dem Umstand gerecht, dass sich die Gewinnverteilung einschließlich der Auskehrung eines Liquidationsüberschusses nach den §§ 11 und 60 AktG sowie den §§ 29 Abs. 3 und 72 GmbHG grundsätzlich an dem Verhältnis der Anteile am Nennkapital der Gesellschaft orientiert.

 

Rz. 145

[Autor/Stand] Zu weiteren Einzelheiten wird hierzu auf die Erläuterungen zu § 97 BewG Anm. 1870 ff. verwiesen.

 

Rz. 146

[Autor/Stand] Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der auf diese Weise ermittelte gemeine Wert des Anteils an der Kapitalgesellschaft ggf. um einen sog. Paketzuschlag zu erhöhen.

 

Rz. 147

[Autor/Stand] In R B 11.6 Abs. 1 bis 3 ErbStR 2011 heißt es hierzu:

„(1) Ein Paketzuschlag ist vorzunehmen, wenn der gemeine Wert der zu bewertenden Anteile höher ist als der Wert, der den Beteiligungscharakter der zu bewertenden Anteile nicht berücksichtigt.

(2) Der Paketzuschlag kommt sowohl beim Ansatz von Kurswerten als auch bei der Ermittlung des gemeinen Werts durch Ableitung aus Verkäufen in Betracht. Wird der gemeine Wert in einem Ertragswertverfahren oder nach einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode ermittelt, ist – unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 BewG – der Paketzuschlag erforderlich, wenn die in § 11 Abs. 3 BewG genannten Umstände bei der Wertermittlung nicht berücksichtigt werde...

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