Rz. 61
Die Entscheidung über eine im Einzelfall vorliegende ungewöhnlich starke Beeinträchtigung durch Lärm, Rauch oder Gerüche hängt weitgehend von den Umständen des einzelnen Falls ab. Verwaltung und Rechtsprechung haben für häufig wiederkehrende Sachverhalte die Voraussetzungen für eine Gewährung der Abschläge näher präzisiert und Entscheidungshilfen für die Berechnung der Abschläge zur Verfügung gestellt.
a) Lärm
Rz. 62
Auch wenn die Frage nach einer relevanten Lärmbeeinträchtigung sich jeweils nur anhand des Einzelfalls beurteilen lässt, kann grundsätzlich von einer Ermäßigung des Grundstückswerts in den Fällen ausgegangen werden, in denen der Schallwechseldruck – in Dezibel (db (A)) ausgedrückt – bestimmte Grenzen überschreitet. Eine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung durch Lärm i.S.d. § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG setzt nicht nur eine ungewöhnliche Lautstärke, sondern auch eine gewisse Dauer voraus. Im Falle von kurzen wiederkehrenden Lärmeinsetzungen erfordert die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals eine Stetigkeit. Dabei kommt es aber auf die Regelmäßigkeit der Intervalle nicht an. Der in den Sommermonaten von landwirtschaftlichen Maschinen (Schälmaschinen für Weinbergpfähle, Weinbergschlepper, Weinbergspritzen) ausgehende Lärm soll nach Auffassung der Finanzrechtsprechung für die Annahme einer ungewöhnlich starken Lärmbeeinträchtigung nicht ausreichen. Zu einer relevanten Lärmbeeinträchtigung kommt es auch nicht durch eine nahgelegene Bushaltestelle bzw. durch das regelmäßige Läuten von Kirchenglocken einer in der Nachbarschaft befindlichen Kirche.
Rz. 63
Durch den Lärm muss die Verwendung der ortsüblichen Miete als gewöhlicher Maßstab für die Festlegung der Miete im Einzelfall in erheblichem Maße als unbillig erscheinen. Bei einem Wohngrundstück ist dies lediglich dann der Fall, wenn dessen Bewohner gezwungen sind, ihre Lebensgewohnheiten bezüglich der Nutzung des Grundstücks in einer Weise einzuschränken, die bei einer üblichen Benutzung des Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit nicht mehr hingenommen werden würde. Dies ist nicht der Fall bei dem gewöhnlichen und üblichen, wenn auch starken Lärm. Die Frage, welche Lärmbeeinträchtigung sich noch im Rahmen des "Gewöhnlichen" hält und welche Geräuschimmissionen diese Grenze bereits überschreiten, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Eine ungewöhnlich starke Lärmbeeinträchtigung i.S.d. § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG kommt nach der Rechtsprechung dann nicht in Betracht, wenn sie weite Teile des Bewertungsgebietes oder größere Teilregionen in mehr oder minder gleicher Weise betrifft. Demgemäß müssen die auf dem betroffenen Grundstück einwirkenden Lärmimmissionen die gegendüblichen Belastungen in erheblichem Umfang übertreffen. Als Gegend in diesem Sinne soll der örtliche Bereich zu verstehen sein, der in dem einschlägigen Mietspiegel zusammengefasst ist. Werden daher ganze Stadt- oder Ortsteile mit annähernd gleicher Intensität betroffen, kann dies für die Gegendüblichkeit der Immissionen sprechen. Die Beeinträchtigung durch Großstadtlärm in seinen typischen Schwankungsbreiten ist bei einem großstädtischen Grundstück als ortsüblich anzusehen.
Rz. 64
Im Falle der Geltendmachung eines Abschlages wegen ungewöhnlicher Lärmbeeinträchtigung muss das Finanzamt den Sachverhalt spätestens im Einspruchsverfahren sorgfältig aufklären. Die Sachverhaltsaufklärung ist gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 AO in erster Linie Aufgabe des Finanzamtes. Die Behörde darf sich dessen nicht durch allgemeine Ausführungen derart entledigen, dass z.B. die persönliche Lärmempfindlichkeit des Steuerpflichtigen unerheblich sei. Ggf. muss eine Inaugenscheinnahme gemäß § 98 AO oder die Einholung von Auskünften sachkundiger Stellen zur näheren Aufklärung erfolgen. Den Steuerpflichtigen trifft dabei lediglich eine Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 1 AO. Ihm darf nicht die alleinige Verantwortung für die Sachverhaltsaufklärung aufgebürdet werden.
Rz. 65– 70
Einstweilen frei.
aa) Straßenverkehrslärm
Rz. 71
Unter Straßenverkehrslärm wird der gesamte durch den Straßenverkehr erzeugte Lärm verstanden. Dieser beinhaltet in erster Linie die von Personen- und Lastkraftwagen sowie motorisierten Zweirädern und Straßenbahnen erzeugten Geräusche. Aber auch der von Baustellenfahrzeugen sowie Baumaschinen ausgehende Lärm stellt einen Bestandteil des Straßenverkehrslärms dar.
Rz. 72
Unter dem üblichen Straßenverkehrslärm ist der Lärm zu verstehen, der als gewöhnlich im täglichen gesellschaftlichen Zusammenleben anzusehen ist. Hinsichtlich des Aspekts der Gewöhnlichkeit ist insbesondere die in der Vergangenheit stetig gewachsene gesellschaftliche Mobilität ebenso aber wie der technische Fortschritt zu berücksichtigen. Insoweit wird es sich bei dem üblichen Verkehrslärm um einen relativen Begriff handeln, dessen Inhalt sich fortlaufend im Hinblick auf die Veränderung der r...