Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 277
Das BVerfG legt mit dem Beschluss vom 7.11.2006 dar, dass die erbschaftsteuerliche Ermittlung der Bemessungsgrundlage beim Betriebsvermögen schon auf der Bewertungsebene nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügt. Die daraus resultierenden Besteuerungsergebnisse sind nicht mit den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Rz. 8 des Beschlusses des BVerfG vom 7.11.2006 führt dazu aus:
"Nach den durch § 12 Abs. 5 ErbStG in Bezug genommenen Bewertungsvorschriften wird Betriebsvermögen – abweichend von dem in § 2 Abs. 1 Satz 2 BewG niedergelegten Grundsatz der Gesamtbewertung – nicht als wirtschaftliche Einheit einer Bewertung unterworfen; vielmehr werden für die in ihm enthaltenen Wirtschaftsgüter Einzelwerte ermittelt, addiert und anschließend um die zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten gekürzt (vgl. § 98a Satz 1 BewG). Als Einzelwert wird dabei nicht der jeweilige Teilwert festgestellt, also der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (vgl. § 10 Satz 2 BewG). Denn mit dem Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992 – StÄndG 1992) vom 25. Februar 1992 (BGBl I S. 297) hat der Gesetzgeber in § 109 Abs. 1 BewG die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzwerte angeordnet. Ausgenommen hiervon sind einerseits Betriebsgrundstücke, Wertpapiere, Anteile und Genussscheine an Kapitalgesellschaften und ausländisches Betriebsvermögen (vgl. dazu § 12 Abs. 5 Satz 1 und 3 ErbStG sowie Seer, StuW 1997, S. 283 [293]), andererseits – naturgemäß – nicht bilanzierende Unternehmen. Bei Letztgenannten bestimmt § 109 Abs. 2 BewG für das abnutzbare Anlagevermögen die Maßgeblichkeit der ertragsteuerlichen Werte und damit der Werte, die sich nach ertragsteuerlichen Bilanzierungsgrundsätzen ergeben würden."
Rz. 278
Mit Rz. 103 bis 105 des Beschlusses des BVerfG vom 7.11.2006 wird hinsichtlich der Erforderlichkeit von Bemessungsgrundlagen, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden, Folgendes ausgeführt:
„aa) Die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen hängt davon ab, dass für die einzelnen zu einer Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden (...).
Eine diesem Gebot genügende Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung ist wegen der beschriebenen Belastungsentscheidung des Gesetzgebers nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert. Denn die durch den Vermögenszuwachs beim Erwerber entstandene finanzielle Leistungsfähigkeit besteht darin, dass er aufgrund des Vermögenstransfers über Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt. Letzterer kann durch den Verkauf des Wirtschaftsguts realisiert werden. Die durch den Erwerb eines nicht in Geld bestehenden Wirtschaftsguts vermittelte finanzielle Leistungsfähigkeit wird daher durch den bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis, mithin durch den gemeinen Wert i.S.d. § 9 Abs. 2 BewG, bemessen. Nur dieser bildet den durch den Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungsfähigkeit zutreffend ab und ermöglicht eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Belastungsentscheidung.
Selbst bei Wirtschaftsgütern, deren Wert typischerweise durch ihren regelmäßig anfallenden Ertrag realisiert wird, ist nicht notwendig der Ertragswert der einzig "wahre" Wert zur Bestimmung des Vermögenszuwachses, weil auch bei ihnen die Realisierung des Verkehrswerts durch Veräußerung nicht ausgeschlossen ist. Daher bedarf es in dem generell am Substanzzugewinn orientierten System der Erbschaft- und Schenkungsteuer auch bei solchen Wirtschaftsgütern zur Vergewisserung einer belastungsgleichen Besteuerung des Rückgriffs auf den Verkehrswert, auch wenn dieser anhand einer Ermittlungsmethode gewonnen werden mag, die wesentlich durch die Summe in einer bestimmten Zeiteinheit zu erwartender Erträge aus dem Wirtschaftsgut bestimmt wird. In grundsätzlicher Übereinstimmung hiermit hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluss zur Einheitsbewertung von Grundbesitz für die Erbschaftsteuer aus dem Jahre 1976 ausgeführt, dass die Erbschaftsteuer eine auf die Substanz und nicht auf den Ertrag der zugewendeten Bereicherung gelegte Steuer ist, weshalb es weniger nahe liege, den Grundbesitz mit Ertragswerten zu bewerten (vgl. BVerfGE 41, 269 [281]).”