Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 22.1
Das Sachwertverfahren nach §§ 189 ff. BewG weist erhebliche Unterschiede gegenüber dem Steuerbilanzwertverfahren nach § 147 BewG (Sonderfall) auf. Das im Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG implementierte sog. Steuerbilanzwertverfahren ist für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für Grundbesitzwertfeststellungen von Sonderfällen mit einem Besteuerungszeitpunkt vor dem 1.1.2009 anzuwenden. Das gilt ebenso für Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer.
Rz. 22.2
Der Gesetzgeber war zunächst davon ausgegangen, dass das Steuerbilanzwertverfahren bei entsprechenden Fällen für Zwecke der Grunderwerbsteuer auch für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 weiter angewendet werden darf. Dieser Auffassung hat das BVerfG eine klare Absage erteilt. Mit Beschluss vom 23.6.2015 hat das BVerfG entschieden, dass die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage (§§ 138 ff. BewG) im Grunderwerbsteuerrecht mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar ist. Nach dem Beschluss des BVerfG muss in den Fällen, in denen der Gesetzgeber eine Ersatzbemessungsgrundlage anwendet, diese Ergebnisse erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind, weil andernfalls dem Grundsatz der Lastengleichheit nicht genügt wird. Der Ersatzmaßstab des § 8 Abs. 2 GrEStG, der auf das Bewertungsgesetz verweist, führt jedoch zu einer erheblichen und sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber dem Regelbemessungsmaßstab, der an die Gegenleistung des Erwerbsvorgangs anknüpft. Der Gesetzgeber war verpflichtet, spätestens bis zum 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine Neuregelung zu treffen. Für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2008 ist die Vorschrift weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist der Forderung des BVerfG mit dem Steueränderungsgesetz 2015 nachgekommen. Für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 sind auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes anzuwenden. Vgl. zum Umgang mit den nach dem 31.12.2008 verwirklichten Erwerbsvorgängen die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16.12.2015.
Rz. 22.3
Die Rückwirkung der Entscheidung ist eine sehr deutliche Absage des BVerfG an die Vorstellungen des Gesetzgebers. Das BVerfG unterstellt dem Gesetzgeber im Ergebnis Handeln wider besseres Wissen, weil ihm nach der Entscheidung des BVerfG zur Erbschaft-/Schenkungsteuer bewusst gewesen sein muss, dass die Bewertung von Grundstücken nach §§ 138 ff. BewG für Stichtage nach dem 31.12.2008 verfassungswidrig ist.
Rz. 23
Beim Steuerbilanzwertverfahren nach § 147 BewG führt bei den Gebäuden der Ansatz von ertragsteuerlichen Steuerbilanzwerten zu willkürlichen Wertansätzen bei der Grundbesitzbewertung. Im Extremfall ist bei einer Grundbesitzbewertung nach § 147 BewG ein ertragsteuerlich voll abgeschriebenes Gebäude mit Null Euro anzusetzen, so dass der Grundbesitzwert dieses bebauten Grundstücks ausschließlich aus dem Bodenwert (zuletzt vor dem Besteuerungszeitpunkt festzustellender Bodenrichtwert × Fläche des Grundstücks × 70 %) besteht. Zum Steuerbilanzwertverfahren im Einzelnen, s. § 147 BewG Rz. 114 ff.