Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
Rz. 313
Bei der Überprüfung, ob eine Einheitswertfeststellung fortzuschreiben ist, ist das Finanzamt auf die Mithilfe Dritter angewiesen. Eigentumsänderungen werden im Regelfall durch Gerichte und Notare bekannt, die entsprechende Anzeigepflichten haben (vgl. § 18 GrEStG). In bestimmten Fällen trifft auch den Beteiligten selbst eine entsprechende Anzeigepflicht (vgl. § 19 GrEStG).
Rz. 314
Baumaßnahmen auf dem Grundstück oder an bestehenden Gebäuden werden regelmäßig durch die Bauordnungsämter der Städte, Kreise und Gemeinden mitgeteilt. Deren Tätigkeit wird durch die Pflicht der Beteiligten zur Abgabe von Erklärungen zur Feststellung der Einheitswerte unterstützt. S. dazu § 28 BewG Anm. 13 ff.
Rz. 315
Bei der Fortschreibung des Einheitswerts eines Grundstücks dürfen seitens der Behörde allerdings keine Kenntnisse verwertet werden, die sie sich durch Auskunft eines Angehörigen (§ 15 AO) des Grundstückseigentümers ohne dessen Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 101 Abs. 1 Satz 2 AO verschafft hat.
Rz. 316
Allerdings kann das Finanzamt in diesen Fällen den Sachverhalt nachträglich, auch noch im Einspruchsverfahren, unter Vermeidung des Verfahrensfehlers aufklären und diesen Sachverhalt "nachschieben". Für die fehlerfrei getroffenen Feststellungen besteht kein Verwertungsverbot. Hier ist die Rspr. zur Wiederholung verfahrensfehlerhafter Prüfungsanordnungen und Außenprüfungen sinngemäß anzuwenden.
Rz. 317
Handelt es sich allerdings um eine fehlerbeseitigende Fortschreibung, so richtet sich der Fortschreibungsstichtag nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG. Bekannt i.S. dieser Vorschrift wird der Fehler dem Finanzamt dann erst mit der fehlerfreien Feststellung.
Rz. 318
Beispiel:
Das Finanzamt hat ein Grundstück, das zum 1.1.2005 durch Nachfeststellung als Zweifamilienhaus bewertet war, im Wege der fehlerbeseitigenden Artfortschreibung auf den 1.1.2007 als Einfamilienhaus bewertet, weil die unbelehrte Mutter des Grundstückseigentümers wahrheitsgemäß die Auskunft erteilt hatte, die beiden Stockwerke seien schon bei Fertigstellung des Hauses nicht gegeneinander abgeschlossen gewesen. Im Einspruchsverfahren bemerkt das Finanzamt den Verfahrensfehler der fehlenden Belehrung und stellt am 23.6.2008 durch Inaugenscheinnahme fest, dass das Haus seiner baulichen Gestaltung nach von Anfang an ein Einfamilienhaus war. Der Fortschreibungsbescheid auf den 1.1.2005 ist aufzuheben und zum 1.1.2009 ein gleichlautender Fortschreibungsbescheid zu erlassen.
Rz. 319– 321
Einstweilen frei.