Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 157
Die Problematik der Maßgeblichkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens für Zwecke der Ertragsteuer sollte im Jahressteuergesetz 2010 durch eine Ergänzung des § 11 Abs. 2 BewG geregelt werden. Danach sollte die Bewertung des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer von den Bewertungen für Zwecke der Ertragsteuer endgültig abgekoppelt werden. Dazu war folgende Neufassung des § 11 Abs. 2 Satz 4 geplant:
Rz. 158
"Bei der Wertermittlung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind die §§ 199 bis 203 zu berücksichtigen."
Rz. 159
Die Gesetzesbegründung zu Artikel 13, Nummer 2, § 11 Abs. 2 Satz 4, hatte folgenden Wortlaut:
Es handelt sich um eine Klarstellung. Der Sechste Abschnitt des Bewertungsgesetzes beinhaltet Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz, von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen für die Erbschaftsteuer ab dem 1. Januar 2009. Mit der Änderung des Satzes 4 wird redaktionell klargestellt, dass die Vorschriften für die Bewertung nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften und des Betriebsvermögens im vereinfachten Ertragswertverfahren (§§ 199 bis 203 BewG) nur bei der Wertermittlung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu berücksichtigen sind.
Rz. 160
Soweit die Gesetzesbegründung von einer Klarstellung ausging, kann dem nicht unmittelbar widersprochen werden, weil bereits der BV-Erlass vom 25.6.2009 in Abschn. 1 ausdrücklich davon ausging, dass die Erlass-Regelungen nur für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer und nicht auch für ertragsteuerliche Zwecke gelten.
Rz. 161
Allerdings wäre es wenig überzeugend, wenn sich die Ermittlung des gemeinen Werts innerhalb der Ertragsteuer nach anderen Regelungen richten würde als bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer. Denn sofern ein Steuerzahler beispielsweise einen Anteil am Betriebsvermögen verschenkt und deshalb ein gemeiner Wert für Zwecke der Schenkungsteuer festzustellen ist, sollte sich, wenn der gemeine Wert dieser Anteile gleichzeitig wegen Aufdeckung stiller Reserven bei der Ertragsteuer ermittelt werden muss, möglichst ein identischer gemeiner Wert ergeben. Die ertragsteuerlichen Bewertungsanlässe sind vielfältig. Je nach Anlass ist bei der Ertragsteuer der gemeine Wert maßgebend. Nun wäre es kaum zu vermitteln, wenn die Finanzverwaltung – zum selben Zeitpunkt – bei der Bewertung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer einen anderen gemeinen Wert zugrunde legen würde als bei der Berechnung der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Bereits aus diesem Grund spricht einiges für eine einheitliche Auslegung des Begriffs "gemeiner Wert".
Rz. 162
Aus diesem Grund ist die gesetzliche Neufassung des § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG nicht realisiert worden. Stattdessen sind die Ausführungsbestimmungen zum vereinfachten Ertragswertverfahren angepasst worden, so dass sie nun auch für die Ertragsteuer gelten.
Rz. 163
Die Anpassung erfolgte mit BV-Erlass vom 17.5.2011. Mit diesem Erlass ist die Finanzverwaltung von ihrer bisherigen Auffassung abgerückt, dass die Regelungen des vereinfachten Ertragswertverfahrens nur für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer gelten. Die neue Auslegung der bewertungsrechtlichen Bestimmungen gilt für Bewertungszeitpunkte nach dem 30.6.2011.
Rz. 164
Die Anwendbarkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens ergibt sich nicht unmittelbar aus dem BV-Erlass vom 17.5.2011, sondern aus einem gesonderten BMF-Schreiben vom 22.9.2011, mit dem die Maßgeblichkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens bei der Ertragsteuer grundsätzlich anerkannt wird.
Rz. 165
Das BMF-Schreiben vom 22.9.2011 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 17. Mai 2011 (BStBl. I S. 606) zur Anwendung der §§ 11, 95 bis 109 und 199 ff. BewG in der Fassung des ErbStRG für ertragsteuerliche Zwecke bei der Bewertung von Unternehmen und Anteilen an Kapitalgesellschaften entsprechend anzuwenden."
Rz. 166
Die nunmehrige Maßgeblichkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens für ertragsteuerliche Zwecke hat zu einem Kompromiss zwischen den Interessen der verschiedenen Steuerarten geführt. Der aktuelle BV-Erlass vom 17.5.2011 enthält dabei im Wesentlichen Änderungen hinsichtlich der Feststellungslast (vgl. Anm. 74 ff.) und bezüglich der Erfassung des Umfangs des Firmenwerts im Substanzwert.
Rz. 167– 169
Einstweilen frei.