Rz. 381
Nach der Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4. Satz 2 GrStG sind auch solche Grundstücke von der Grundsteuer befreit, die von jüdischen Kultusgemeinden für die in § 3 Satz 1 Nr. 4 GrStG genannten Zwecke genutzt werden, auch wenn die jüdischen Kultusgemeinden keine Körperschaften des öffentliches Rechtes sind. Der Gesetzgeber hat mit der Erstreckung der Befreiung auch auf solche jüdische Kultusgemeinden, die keine Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, die folgerichtige Umsetzung der in § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG enthaltenen Regelung über die steuerpflichtigen und steuerbefreiten Grundstücke durchbrochen hat. Nach den vorangestellten verfassungsrechtlichen Erfordernissen ist für diese Durchbrechung deshalb ein besonderer sachlicher Grund erforderlich. Dieser privilegierende Grund liegt in der jüdischen Glaubensangehörigen durch den Nationalsozialismus zugefügten Unrechts.
Rz. 382
Gemäß dem Wortlaut der Vorschrift stehen nur jüdischen Kultusgemeinden, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG zu. Diese Vorschrift ist in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand von gerichtlichen Klageverfahren, z.B. Verbände islamischer Kulturzentren bzw. -vereine, mit dem Ziel gewesen, eine analogen Anwendung auf zum Grundfall der Vorschrift als vergleichbar angesehene Sachverhalte zu erreichen.
Rz. 383
Nach Ansicht der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zu § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG besteht keine dahingehende Auslegungsfähigkeit. Begründet wird die fehlende Auslegungsfähigkeit damit, dass der Gesetzgeber den Regelungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG mit dem dort verwendeten Wortlaut bewusst derart präzise umschrieben habe, dass die Voraussetzungen für eine anderweitige Auslegung des gesetzlichen Wortlautes nicht gegeben seien.
Rz. 384
Auch eine analoge Anwendung der Norm ist nicht möglich. Die Anwendung des Regelungswerks einer Norm über seinen Wortlaut hinaus auf andere vom Wortlaut nicht erfasste Sachverhalte ist nur dann möglich, wenn das Gesetz lückenhaft ist und deshalb einer Rechtsfortbildung bedarf. Eine ergänzende Rechtsfortbildung setzt somit eine Lücke im Gesetz voraus. Der Gesetzgeber wollte mit der Privilegierung durch die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG ausschließlich die jüdischen Kultusgemeinden wegen des jüdischen Glaubensangehörigen durch den Nationalsozialismus zugefügten Unrechts privilegieren. Mit der Einbeziehung jüdischer Kultusgemeinden in den Kreis der Steuerbegünstigungen hat der Gesetzgeber den Versuch unternommen, dieses Unrecht zu beseitigen. Ein Wegfall dieses sachlichen Grundes besteht der Finanzrechtsprechung zufolge bis heute nicht. Ist somit eine begünstigende Vorschrift nach der erkennbaren Intention des Gesetzgebers auf eine bestimmte Gruppe von Steuerpflichtigen beschränkt, kann sie konsequenterweise mangels Gesetzeslücke nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auf andere Gruppen von Steuerpflichtigen ausgedehnt werden.
Rz. 385
Allerdings ist auch eine Rechtsfortbildung dahingehend, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG über die dort ausdrücklich erwähnten jüdischen Kultusgemeinden hinaus auch z.B. auf einen jüdischen rechtsfähigen Verein anlog anzuwenden, nicht zulässig.
Rz. 386– 400
Einstweilen frei.