Rz. 630
Ein Schulderlass führt stets zur Bereicherung des Schuldners (§ 397 Abs. 1 BGB), bei Geldschulden grundsätzlich in Höhe des Nominalbetrags der damit entfallenen Verbindlichkeit (s. Rz. 30). Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist eine solche Vermögensmehrung einer Kapitalgesellschaft nun auch als mittelbare Bereicherung der Bedachten schenkungsteuerbar. Dass dies die Abwicklung von Sanierungsfällen nicht erleichtert, war dem Gesetzgeber durchaus bewusst. Doch seine Absicht, deshalb nur "echte Missbrauchsfälle" zu erfassen, hat er gesetzestechnisch nicht umgesetzt. Für die Rechtsanwendung sind hieraus entsprechende Rückschlüsse zu ziehen; um Missbrauchskriterien muss man sich nicht kümmern. Aber beachten Sie § 13 Abs. 1 Nr. 5 (i.V.m. § 1 Abs. 2) ErbStG. Schuldbefreiende Forderungsverzichte können danach steuerfrei sein, d.h. sie sind immer steuerbar, ggf. partiell und insb. im Erfolgsfall steuerpflichtig. Zugleich bestätigt das ErbStG mit dieser, bisher unverändert gebliebenen, Spezialvorschrift die grundsätzliche Schenkungsteuerpflicht aller sonstigen, nicht unmittelbar schuldbefreiend wirkenden Sanierungszuwendungen (ausführlich § 13 ErbStG Rz. 32 f.). Hierzu könnten nun auch fiktive Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zählen (aber Rz. 642).
Rz. 631
Offenbar in Kenntnis, da zur Vermeidung, der vermeintlichen Problematik empfiehlt die Finanzverwaltung, den Vorverkauf der Forderung an die (Mit-)Gesellschafter mit nachfolgendem, dann gemeinsamen, Forderungsverzicht. – Eine offizielle Aufforderung zur Steuerumgehung oder nur der gut gemeinte Versuch der Pflicht zur Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht folgen zu müssen? Vorsicht ist jedenfalls geboten. Sollen anstelle einer Einzelzuwendung beteiligungskongruente Leistungen aller Gesellschafter an die Kapitalgesellschaft ausgeführt werden, gilt es sicherzustellen, dass alle Zuwendenden tatsächlich frei und unabhängig voneinander disponieren und trotzdem zeitlich übereinstimmend handeln. Beachten Sie: Die Finanzgerichte sind an Verwaltungsanweisungen keinesfalls gebunden. Bei missglückten Ausweichgestaltungen ist eine Klage nicht unbedingt ratsam.
Rz. 632
Auch die Empfehlung, den Forderungsverzicht unter Besserungsvorbehalt zu erklären, ist reserviert aufzunehmen. Selbstverständlich geschieht die tatbestandlich notwendige Bereicherung der Gesellschaft, wenn auch auflösend bedingt, durch Leistung des verzichtenden Gläubigers, der seine Forderung tatsächlich verliert (s. Rz. 30); der Wert der Forderung spielt daher hierbei keine Rolle (s. Rz. 96) und eventuelle Erwerbsaussichten werden erst dann erheblich, wenn und soweit die angeblich erwartete/nur erhoffte Besserung wirklich eintritt (§ 5 Abs. 2 BewG). Ob sich allerdings die mit dem Besserungsfall gegenläufig realisierte Vermögensminderung der Gesellschaft überhaupt auch mit schenkungsteuerlicher Relevanz auf der Anteilsebene der Gesellschafter auswirken kann, darf bezweifelt werden. Für derartige Ereignisse – sie können ggf. vGA sein – fehlt, vom Gesetzgeber mit § 15 Abs. 4 ErbStG akzeptiert, eine spezielle, § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG entsprechende, gesetzliche Regelung; § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wurde nicht angepasst und kann wohl kaum in Richtung einer gleichheitsgerechten Besteuerung teleologisch erweiternd ausgelegt werden. Im Übrigen dürften Bedachte, die die Gesellschaft zuvor verlassen haben, ebenso wie ihr zwischenzeitlich beigetretene Gesellschafter, jedenfalls nicht betroffen sein.
Rz. 633
Einstweilen frei.