Rz. 317
Wie die übrigen, nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG in Betracht kommenden Bewertungsmethoden setzt auch die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens i.S.d. §§ 199 bis 203 BewG voraus, dass der gemeine (Unternehmens-)Wert nicht aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet werden kann (vgl. dazu schon oben, Rz. 257). Darüber hinaus ist das vereinfachte Ertragswertverfahren nach hier vertretener, aber umstrittener Minderheitsauffassung nur dann anzuwenden, wenn nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass ein gedachter Erwerber ausschließlich eine andere anerkannte, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke übliche Methode seiner Kaufpreisbestimmung zugrunde legen würde (zum Rangverhältnis der Bewertungsmethoden vgl. schon oben, Rz. 259 ff.). Das vereinfachte Ertragswertverfahren steht überdies unter einem weiteren Vorbehalt: Es darf nur angewendet werden, wenn es nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt (§ 199 Abs. 1 letzter Halbs. BewG).
Rz. 318
Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine branchenübergreifende und rechtsformneutrale Methode, die vornehmlich für die Bewertung kleinerer und mittlerer Unternehmen ("KMU") in Betracht kommt und zu den Modellen der "ewigen Rente" gehört. Es beinhaltet zum Teil grobe und dennoch für den Rechtsanwender verbindliche sowie daher im Einzelfall nicht modifizierbare Typisierungen und Pauschalierungen.
Rz. 319
Auszugehen ist von dem zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag, welcher aus den durchschnittlichen, um bestimmte außerordentliche Aufwendungen und Erträge (vgl. dazu § 202 Abs. 1 Satz 2 BewG) bereinigten Gesamterträgen der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleiten ist (§ 201 Abs. 1 und 2 BewG). Der auf diese Weise als zukünftig nachhaltig erzielbarer Jahresertrag ermittelte Durchschnittsertrag ist mit einem Kapitalisierungsfaktor zu multiplizieren (§ 200 Abs. 1 BewG).
Der hierbei zugrunde zu legende Kapitalisierungszinssatz, welcher den Kehrwert des Kapitalisierungsfaktors bildet, setzte sich früher gem. § 203 Abs. 1 BewG a.F. zusammen aus einem Basiszinssatz und einem Zuschlag von 4,5 %. Der Basiszinssatz war aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten. Dabei war auf den Zinssatz abzustellen, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnete und vom Bundesministerium der Finanzen im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde (§ 203 Abs. 2 BewG a.F.).
Der Basiszinssatz betrug für 2009 3,61 %, für 2010 3,98 %, für 2011 3,43 %, für 2012 2,44 % und für 2013 2,04 %. Der Kapitalisierungsfaktor entsprach gem. § 203 Abs. 3 BewG a.F. dem Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes.
Infolge der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) stieg der Kapitalisierungsfaktor in den Jahren 2008 bis 2016 von ca. 11 auf rd. 18 an mit der Folge, dass die deutschen Unternehmen auch bei gleichbleibenden Umsätzen und Erträgen stetig an Wert gewannen und dadurch Überbewertungen von 50 % bis 60 % hervorgerufen wurden.
Um diesen Überbewertungen entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber des ErbStRG v. 4.11.2016 den Kapitalisierungsfaktor in § 203 Abs. 1 BewG mit Wirkung ab 1.1.2016 auf 13,75 festgeschrieben, was einem (fixen) Kapitalisierungszinssatz von 7,27 % (100/13,75) entspricht und ceteris paribus im Jahr 2016 zu einer Minderung der Unternehmenswerte von ca. 23 % führte (13,75 : 17,86 = 76,98).
Rz. 320
In den in § 200 Abs. 2 bis 4 BewG beschriebenen Sonderfällen sind zu dem in vorstehender Weise ermittelten Unternehmensertragswert Hinzurechnungen vorzunehmen: Gehören zum Betriebsvermögen Wirtschaftsgüter und mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Schulden, die aus dem zu bewertenden Unternehmen herausgelöst werden können, ohne die eigentliche Unternehmenstätigkeit zu beeinträchtigen (sog. nichtbetriebsnotwendiges Vermögen), so werden diese Wirtschaftsgüter und Schulden neben dem Unternehmensertragswert mit ihren eigenständig zu ermittelnden gemeinen (Einzel-)Werten berücksichtigt (§ 200 Abs. 2 BewG).
Rz. 321
Neben dem Unternehmensertragswert sind des Weiteren mit ihren eigenständig zu ermittelnden gemeinen (Einzel-)Werten zusätzlich anzusetzen Beteiligungen an (anderen) Gesellschaften (§ 200 Abs. 3 BewG) sowie das sog. junge Betriebsvermögen, d.h. die innerhalb von zwei Jahren vor dem Bewertungsstichtag eingelegten Wirtschaftsgüter sowie die mit ihnen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten (§ 200 Abs. 4 BewG).
Rz. 322
Zu den Einzelheiten des vereinfachten Ertragswertverfahrens wird auf die Erläuterungen zu den §§ 199 bis 203 BewG verwiesen.
Rz. 323– 330
Einstweilen frei.