Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 250
Die ErbStR 2003 gehen davon aus, dass in den Fällen der Bedarfsbewertung nach § 147 BewG der ertragsteuerliche Wert für die Gebäude aus einer Zwischenbilanz entnommen oder – aus Vereinfachungsgründen – aus dem letzten Bilanzansatz vor dem Bewertungsstichtag abgeleitet werden kann. Damit wird deutlich, dass der ertragsteuerliche Wert der Gebäude – zumindest in den Fällen der Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer – aus der Sicht des Erblassers oder Schenkers zu bestimmen ist. Erfolgt die Bedarfsbewertung dagegen für Zwecke der Grunderwerbsteuer, hat sich in der Praxis die Frage gestellt, ob die ErbStR 2003 auch diesbezüglich eine dem entsprechende Festlegung enthalten.
Rz. 251
Beispiel: Einbringung einer Einzelfirma
A ist Inhaber eines Gewerbetriebs, zu dessen Betriebsvermögen ein Grundstück gehört. A ist ferner alleiniger Gesellschafter einer A-GmbH, die mit einem Stammkapital von 50 000 EUR ausgestattet ist. Auf Beschluss der Gesellschafterversammlung wurde das Stammkapital um 50 000 EUR erhöht. Durch Einbringungsvertrag bringt A sein Einzelunternehmen in die A-GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein. Das eingebrachte Unternehmen wird ab dem Einbringungsstichtag auf Rechnung der übernehmenden A-GmbH betrieben. Für Grunderwerbsteuerzwecke ist der Bedarfswert des Grundbesitzes festzustellen. Das Grundstück ist nach § 147 BewG zu bewerten. In der Bilanz des Einzelunternehmers ist zum Einbringungsstichtag für das Gebäude ein Buchwert von 500 000 EUR ausgewiesen.
Rz. 252
Sofern die Einbringung nicht zu Buchwerten erfolgt und das Grundstück in der "Einbringungsbilanz" beispielsweise mit 5 000 000 EUR ausgewiesen wird, wobei 4 000 000 EUR auf das Gebäude entfallen sollen, ist in der Praxis zum Teil die Auffassung vertreten worden, dass die ertragsteuerlichen Werte aus der "Einbringungsbilanz" maßgebend sein müssten. Denn der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis.
Auch mit dem folgenden Beispiel soll dargestellt werden, dass sich in Abhängigkeit von der Überlegung, wessen Steuerbilanz für die Bestimmung des ertragsteuerlichen Werts maßgebend ist, unterschiedliche Bewertungen für das zu bewertende Grundstück ergeben.
Rz. 253
Beispiel: Erwerb eines Anteils an einer Personenhandelsgesellschaft
A und B sind Gründungsgesellschafter der AB-OHG und zu 40 % bzw. 60 % an der Gesellschaft beteiligt. Zum Gesamthandsvermögen der OHG gehört u.a. ein bebautes Grundstück.
Rz. 254
A veräußert seinen Mitunternehmeranteil zum 1.1. an C zu einem Preis von 440 000 EUR; sein Kapitalkonto beträgt 40 000 EUR. B veräußert seinen Mitunternehmeranteil ebenfalls zum 1.1. an D zu einem Preis von 660 000 EUR; sein Kapitalkonto beträgt 60 000 EUR. Im Gesamthandsvermögen befindet sich ein bebautes Grundstück. Auf das Gebäude entfällt ein Buchwert von 60 000 EUR. Der Verkehrswert des Gebäudes beträgt 660 000 EUR.
Rz. 255
In der Gesamthandsbilanz der OHG sind die Anschaffungskosten des C und des D für die "anteilig" erworbenen Wirtschaftsgüter nicht in voller Höhe ausgewiesen; der über das Kapitalkonto hinausgehende Anteil der Anschaffungskosten wird in einer positiven Ergänzungsbilanz (Mehrkapital) abgebildet (400 000 EUR bzw. 600 000 EUR). Dieses Mehrkapital wird auf die aktiven Wirtschaftsgüter verteilt.
C weist in seiner Ergänzungsbilanz das Gebäude mit einem Wert von insgesamt 240 000 EUR und D mit einem Wert von insgesamt 360 000 EUR aus.
Rz. 256
Die Summe der steuerlichen Buchwerte bezogen auf das Gebäude betragen daher:
Gesamthand |
60 000 EUR |
Ergänzungsbilanz C |
+ 240 000 EUR |
Ergänzungsbilanz D |
+ 360 000 EUR |
Summe |
660 000 EUR |
Daraus ergeben sich für die Bedarfsbewertung folgende Alternativen:
|
Ertragsteuerlicher Wert aus der Sicht |
des Veräußerers |
des Erwerbers |
Bewertungsrechtlicher Ansatz des Gebäudes |
60 000 EUR |
660 000 EUR |
Somit ergeben sich in Abhängigkeit von der Frage, wessen ertragsteuerlicher Wert von Bedeutung ist, unterschiedliche Wertansätze für das Gebäude.
Rz. 257
Hierzu ist eine Vielzahl von weiteren Fallkonstellationen denkbar.
Rz. 258
Für die Auffassung, die Bedarfsbewertung für Zwecke der Grunderwerbsteuer aus der Sicht des Erwerbers vorzunehmen, spricht der Gedanke, dass die ertragsteuerliche Behandlung durch den Erwerber dessen Wertvorstellung über den erworbenen Grundbesitz widerspiegelt und dieser Wert der grundsätzlich bei der Grunderwerbsteuer maßgebenden Bemessungsgrundlage mehr als die zufällig sich ergebende ertragsteuerliche Behandlung beim Veräußerer entspricht. Dies deckt sich mit dem Grundgedanken der §§ 8, 9 GrEStG, wonach zur Gegenleistung jede Leistung gehört, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. In bestimmten Fällen kann die rechnerische Bestimmung des ertragste...