Rz. 634
Es stößt nicht auf ungeteilte Zustimmung, dass die Finanzverwaltung zur Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht den Willen des Schenkers zur Unentgeltlichkeit verlangt (dies ist anders bei freigebigen Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und, dort konsequent, hinsichtlich der Bereicherung der Kapitalgesellschaft stets zu prüfen – s. auch Rz. 617). Hieraus kann aber nicht zwingend auf den angeblich nötigen Freigebigkeitswillen oder Zuwendungswillen gegenüber den jeweils Bedachten geschlossen oder sogar als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG eine entsprechende Bereicherungsabsicht angenommen werden (so ausdrücklich Satz 2 – s. Rz. 660 ff.); nicht erhellend ist auch die Behauptung, das "Gesetz" unterstelle eine solche Absicht. Ob daher, anders als bei Anwendung des § 7 Abs. 7 ErbStG (s. Rz. 558), zur Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ein solches subjektives Kriterium erforderlich ist, wird womöglich der BFH demnächst entscheiden; das FG Sachsen hatte in seinem derzeit revisionsbefangenen Urteil (s. Rz. 611.2) die von ihm geforderte Absicht zur Bereicherung der begünstigten Gesellschafter bejaht, weil die Schenker die Anteilswerterhöhung "bewusst hingenommen" hätten. Schuck fordert in diesem Zusammenhang eine Schenkungsabrede zwischen Zuwendendem und Bedachten, ohne die z.B. die mittelbare Bereicherung eines Minderheitsgesellschafters dem Zuwendenden nicht zuzurechnen sei. Weitergehend verlangt Fischer zwischen beiden die vollständige Verwirklichung des Tatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Beachten Sie: Ohne das Kriterium der Freigebigkeit fehlt das entscheidende Argument für eine Ablehnung steuerbarer Leistungen der öffentlichen Hand (s. Rz. 438).
Rz. 635
Allerdings relativiert die Finanzverwaltung ihren stringenten Standpunkt. Offiziell konstatiert sie nicht nur die Beachtlichkeit gegenläufiger Leistungen der Bedachten im Rahmen einer Gesamtbetrachtung. Im Hinblick auf deren Ausgewogenheit will sie grundsätzlich auch die Wertvorstellungen der Gesellschafter bzw. "Parteien" akzeptieren und lädt zu streitig werdenden Gestaltungen geradezu ein. Wer hier für rechtsgeschäftliche Abreden in den Dreieckskonstellationen zwischen Leistendem, Kapitalgesellschaft und Bedachten plädiert, muss die Beteiligten auch auf die Risiken hinweisen. So ist erst noch zu klären, ob und inwieweit solche Abreden überhaupt den rein objektiv konzipierten Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG tangieren; ist z.B. die für besteuerungswürdig gehaltene reflexhafte Werterhöhung tatsächlich eingetreten, lässt sich kaum mit Erfolg einwenden, dies habe man vermeiden wollen bzw. nicht gewollt. Kommen weitere Schuldverhältnisse zustande (§§ 145 ff. BGB) mit hieraus folgenden Leistungspflichten (§ 241 BGB), ist deren Nicht-/Erfüllung nicht nur zivilrechtlich, sondern vor allem deshalb auch schenkungsteuerlich durchaus bedeutsam (s. Rz. 149 f.).
Rz. 636
Die Schenkungsteuerstellen folgen zwar noch häufig dem stets wiederbelebten Vorurteil, "dass Kaufleute sich nichts zu schenken pflegen". Wer damit jedoch die Steuerbarkeit angeblich betrieblich veranlasster Schenkungen verhindern will, sollte beachten, dass der Gesetzgeber eine dies rechtfertigende Regelung, obwohl gefordert, bis heute nicht verabschiedet hat (im Übrigen Rz. 437 f., 652). Gerade in der gesellschaftsrechtlichen Praxis sind inkongruente Einlagen und Beiträge einander fremder Personen keinesfalls unüblich. Mit Blick auf § 7 Abs. 8 ErbStG darf man dies nicht mehr ignorieren.
Rz. 637– 638
Einstweilen frei.