Hans-Werner Högl, Friedemann Kirschstein
Rz. 180
§ 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG regelt zwei Fälle des Abzugs von Schulden und Lasten bei beschränkter Steuerpflicht: Einerseits den Erwerb von Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG durch einen ausländischen Erwerber im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) und andererseits die Fälle unbeschränkter Steuerpflicht, bei der einzelne Vermögensgegenstände aufgrund eines DBA nach der Freistellungsmethode von der Besteuerung ausgenommen werden (Verweis auf § 19 Abs. 2 ErbStG).
a) Beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3
Rz. 181
Die Vorschrift begründet die Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang zum steuerpflichtigen Inlandsvermögen stehen. Deshalb können allgemeine Nachlassverbindlichkeiten – etwa Vermächtnisse oder Verwaltungskosten – nicht steuermindernd berücksichtigt werden, auch dann nicht, wenn sie das steuerpflichtige Vermögen übersteigen.
Der EuGH hatte über die vom FG Düsseldorf vorgelegte Frage der Vereinbarkeit des § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu entscheiden. Er hat entschieden, dass die Nichtabzugsfähigkeit von Pflichtteilsverbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeiten in Fällen der beschränkten Steuerpflicht nach § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist und eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt.
Die Finanzverwaltung hat auf das Urteil des EuGH mit gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder reagiert und erkennt den anteiligen Abzug von nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten wie z.B. Pflichtteilsverbindlichkeiten an.
Beispiel 7 :
Ein österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich hinterlässt nach seinem Tod ein Kind und eine Frau. Er setzt sein Kind zum Alleinerben ein. Der Nachlass bestand aus einem in Deutschland belegenen Grundstück (Wert 5 Mio. EUR), welches mit Schulden aus der Anschaffung i.H.v. 2 Mio. EUR belastet ist. Außerdem hinterlässt er Grund- und Kapitalvermögen in Österreich (Wert 6 Mio. EUR) welches mit Schulden i.H.v. 3 Mio. EUR belastet ist. Die Ehefrau macht Pflichtteilsansprüche i.H.v. 4,5 Mio. EUR gegenüber dem Kind gelten.
Die Pflichtteilsverbindlichkeiten sind in dem Verhältnis anteilig als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, soweit die Vermögensgegenstände des Erwerbs der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen:
Nettowert der der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögensgegenstände:
Inländisches Grundstück |
5.000.000 EUR |
Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit inländischem Grundstück |
2.000.000 EUR |
Inländischer Vermögensanfall |
3.000.000 EUR |
Nettogesamtwert aller Vermögensgegenstände:
Inländisches Grundstück |
5.000.000 EUR |
Auslandsvermögen |
6.000.000 EUR |
Gesamtwert aller Vermögensgegenstände |
11.000.000 EUR |
./. Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Inlandsvermögen |
2.000.000 EUR |
./. Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Auslandsvermögen |
3.000.000 EUR |
Nettogesamtvermögen |
6.000.000 EUR |
Ermittlung des Betrages der abzugsfähigen Schulden:
Bereicherung des Kindes:
Inländischer Vermögensanfall |
3.000.000 EUR |
./. anteilig abzugsfähige Schulden |
2.250.000 EUR |
Bereicherung |
750.000 EUR |
Rz. 182
Ist der Schuldenabzug nicht nach § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG ausgeschlossen, sind die übrigen Abzugsverbote, insbesondere § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG, zu beachten.
Beispiel:
Ein in Belgien ansässiger Steuerpflichtiger erbt von einem in den Niederlanden ansässigen Erblasser ein im Inland gelegenes mit Schulden belastetes denkmalgeschütztes Gebäude i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b ErbStG (100 % steuerbefreit). Der Abzug der Schulden ist nicht nach § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG ausgeschlossen, weil die Schulden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem steuerpflichtigen inländischen Grundstück stehen. Der Abzug ist aber nach § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG ausgeschlossen, weil der Grundbesitz in vollem Umfang von der Steuer befreit ist. Den Schuldenabzug kann der Erwerber wiederum erreichen, wenn er nach § 13 Abs. 3 Satz 2 ErbStG auf die Steuerfreiheit verzichtet.
Rz. 183– 184
Einstweilen frei.
b) Ausnahme von der Besteuerung durch DBA
Rz. 185
Steht das Besteuerungsrecht für einen Teil des Vermögens aufgrund eines DBA einem anderen Staat zu, sind nach § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG Schulden und Lasten, die dieses Vermögen betreffen, nicht abzugsfähig. Die Vorschrift hat meines Erachtens zurzeit keinen Anwendungsbereich, denn sie setzt erstens ein DBA voraus, das zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Freistellungsmethode folgt und zweitens darf in diesem DBA nicht vorrangig (vgl. § 2 AO) der Abzug von Schulden und Lasten geregelt werden. Nach Wegfall der Erbschaftsteuer in Österreich ab 1.1.2008 und Kündigung des ErbSt-DBA D-A mit Wirkung zum 31.12.2007 enthält als einziges DBA auf dem Gebiet der Erbschaftsteuern nur noch das DBA mit...