Rz. 246
Bis zum 31.12.1992 wurde ein verpachtetes gewerbliches Unternehmen bewertungsrechtlich als gewerblicher Betrieb des Verpächters angesehen. Voraussetzung war, dass die Verpachtung die wesentlichen Betriebsgegenstände umfasste. Ohne Belang für diese Beurteilung war, ob die Verpachtungstätigkeit mit wesentlichen Verwaltungsarbeiten des Verpächters verbunden war.
Rz. 247
Damit wich die bewertungsrechtliche Beurteilung des Gewerbebetriebs von der ertragsteuerlichen Sicht ab: Im Einkommensteuerrecht und Gewerbesteuerrecht war bis 1963 ein im Ganzen verpachtetes gewerbliches Unternehmen nur dann als Gewerbebetrieb des Verpächters zu behandeln, wenn die Tätigkeit des Verpächters während der Pachtdauer wegen der laufenden Verwaltungsarbeiten einen eigenen Gewerbebetrieb begründete. Eine grundlegende Änderung bei der ertragsteuerrechtlichen Sichtweise brachte allerdings der durch das Urteil des Großen Senats des BFH v. 13.11.1963 eingeleitete Rechtsprechungswandel. Danach kann der Verpächter eines Gewerbebetriebs wählen, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG behandeln und damit die Gegenstände seines Betriebes in sein Privatvermögen überführen oder ob und wie lange er das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen will. Solange der Verpächter eine Erklärung im vorstehenden Sinne nicht abgegeben hat, bleiben die verpachteten Wirtschaftsgüter weiterhin sein Betriebsvermögen mit der Folge, dass er weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
Rz. 248
Die Absicht des Verpächters, den Betrieb wieder in eigener Regie aufzunehmen, wird vermutet, solange er keine gegenteilige Erklärung abgibt. Es muss jedoch objektiv die Möglichkeit verbleiben, "die unterbrochene betriebliche Tätigkeit wieder aufzunehmen und fortzuführen".
Rz. 249
Der Große Senat ging in seinem Urteil vom 13.11.1963 davon aus, dass der bislang vom BFH im Fall der Betriebsverpachtung angenommene "ruhende Betrieb" dem Gesetz fremd sei. Er kehrte deshalb zur älteren Rechtsprechung des RFH zurück, wonach die Verpachtung eines Gewerbebetriebs regelmäßig nicht die Aufgabe des Betriebs zur Folge hatte. Zu dieser Rechtsprechungsänderung hat sich der Große Senat des BFH, wie er in den Gründen seiner Entscheidung betont hat, nicht zuletzt auch deshalb entschlossen, "weil damit eine Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zum Bewertungsrecht erzielt wird." Man darf indessen den Vereinheitlichungseffekt der Entscheidung des Großen Senats auch nicht überschätzen. Denn die geänderte Rechtsauffassung über das Weiterbestehen des gewerblichen Betriebs im Fall der Verpachtung und die Möglichkeit der Erklärung, den Betrieb aufgeben zu wollen, gelten nur für das Einkommensteuerrecht, nicht hingegen für das Gewerbesteuerrecht. Das ist in den Entscheidungsgründen des Urteils des Großen Senats ausdrücklich hervorgehoben und die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung für die Einkommensteuer und für die Gewerbesteuer im Einzelnen auch begründet worden. Die Entscheidung des Großen Senats ändert damit nichts daran, dass für die Gewerbesteuer mit der Verpachtung eines Gewerbebetriebs ein werbender Betrieb, an den die Gewerbesteuerpflicht anknüpft, nicht mehr beim Verpächter, sondern allein beim Pächter vorhanden ist.
Rz. 250– 257
Einstweilen frei.
Rz. 258
Die ertragsteuerliche Rechtslage und – dieser folgend – auch das ab 1.1.1993 maßgebende Bewertungsrecht knüpfen an die vorstehend dargelegten Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats des BFH v. 13.11.1963 an. An sich liegt es bei einer Betriebsverpachtung im Ganzen nahe, diesen Vorgang aus der Sicht des Verpächters nicht als Betriebsunterbrechung, sondern als Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 EStG zu qualifizieren. Denn der bisherige Betriebsinhaber ist regelmäßig langfristig oder dauerhaft nur noch vermögensverwaltend und nicht mehr i.S.v. § 15 Abs. 1 und 2 EStG tätig. Gleichwohl gewährt die durch das Urteil des Großen Senats des BFH v. 13.11.1963 eingeleitete ständige höchstrichterliche Rechtsprechung dem Steuerpflichtigen (Verpächter) im Wege der teleologischen Reduktion des § 16 Abs. 3 EStG das oben skizzierte Wahlrecht. Letzteres wird mit der Erwägung gerechtfertigt, dass sich eine Betriebsverpachtung nur als eine "vorübergehende" Betriebsunterbrechung darstelle, wenn der Verpächter die Absicht habe und über die objektive Möglichkeit verfüge, die bisherige gewerbliche Betätigung – sei es in eigener Person oder sei es durch einen unentgeltlichen Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger – "identitätswahrend" wieder aufzunehmen. Dabei verzichtet die Rechtsprechung auf eine konkrete Prüfung dieser Wiederaufnahmeabsicht, sondern unterstellt diese ohne Weiteres dann, wenn eine identitätswahrende Wiederaufnahme des Betriebes durch den Verpächter oder dessen unentgeltlichen Rechtsnachfolger im Bereich des objektiv Möglichen liegt und der Verpächter gegenüber der Finanzb...