Rz. 639
Der steuerpflichtige Erwerb richtet sich nach der Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Die hier als Erwerbs- und damit auch Bewertungsgegenstand fingierte Werterhöhung des Anteils des jeweils Bedachten an der leistungsempfangenden Kapitalgesellschaft ergibt sich logischerweise als Differenzbetrag aus den Anteilswerten nach und vor der jeweiligen Leistung des Schenkers. Maßgebend sind grundsätzlich die gemeinen Werte der Anteile; dies folgt aus §§ 11, 12 Abs. 1, 2 ErbStG i.V.m. §§ 9, 11 BewG.
Rz. 640
Bewertungsrechtlich sind danach zu unterscheiden:
- An einer deutschen Börse handelbare Anteile: Sie werden mit ihren Kurswerten und nur ausnahmsweise nach einem – höheren – gemeinen Wert der Beteiligung angesetzt (§ 11 Abs. 1, 3 BewG).
- Andere Anteile: Für sie ist der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 (ggf. i.V.m. Abs. 3) BewG zu ermitteln.
- Beachten Sie: Bei Kapitalanlage-/Investmentgesellschaften i.S.d. Kapitalanlagegesetzbuchs gelten die Rücknahmepreise (§ 11 Abs. 4 BewG).
Es liegt auf der Hand, dass sich der notwendige Kausalzusammenhang zwischen Leistung und Anteilswerterhöhung aus amtlichen Kurswerten oder Rücknahmepreisen nicht zuverlässig ablesen lässt. Im Ergebnis werden daher – gleichheitswidrig(?) – nur Gesellschafter nicht börsennotierter Kapitalgesellschaften, die auch keine Investmentgesellschaften sind, von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG betroffen sein.
Rz. 641
Der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 11 Abs. 2 BewG ist nach § 12 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG gesondert festzustellen – und zwar auf den Bewertungsstichtag, das ist der Zeit punkt der Steuerentstehung (§ 11 ErbStG). Konkludent die Bedeutung der Anteilssteuerwerte für die Besteuerung eingestehend (§ 151 Abs. 1 Satz 2 BewG), will die Finanzverwaltung allerdings auf die Durchführung solcher Bedarfswertfeststellungen verzichten. Stattdessen soll das Betriebsfinanzamt der Kapitalgesellschaft den (die?) im Wege der Amtshilfe ermittelten Wert (Werte?) dem "Erbschaftsteuerfinanzamt" (gemeint ist die jeweilige Schenkungsteuerstelle) mitteilen. Die Rechtmäßigkeit dieser Verfahrensweise erscheint zweifelhaft (zur entsprechenden Problematik bei § 7 Abs. 7 ErbStG s. Rz. 592) und daher durchaus noch regelungsbedürftig. Womöglich geht § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bis zu einer entsprechenden Anpassung der zitierten Bewertungsnormen letztlich insgesamt ins Leere.
Rz. 642
Im Übrigen liegt die Beweislast dafür, dass und inwieweit die jeweilige Leistung des einzelnen Schenkers tatsächlich ursächlich für die Werterhöhung war, nicht bei den Steuerpflichtigen. Insb. bei Leistungen mehrerer Zuwender und/oder Zuwendungen, die erst mit zeitlicher Verzögerung – z.B. durch Verzicht auf ein (angemessenes) Entgelt bei Darlehensgewährung, Nutzungsüberlassung, Dienstleistungen, Drittaufwand – über die Vermeidung eigener Aufwendungen der Kapitalgesellschaft anteilswertsteigernd gewirkt haben können, mag es genügen die notwendige Kausalität zu bestreiten. Dies dürfte auch ratsam sein, wenn angeblich Sanierungszwecken dienende Leistungen zwar gegenüber der Kapitalgesellschaft steuerpflichtig sind (s. Rz. 630), aber an der Wertlosigkeit der Anteile erst recht nichts ändern.
Rz. 643
Es ist gewagt, die "Werterhöhung von Anteilen" betragsmäßig der anteiligen Direktzuwendung an den/die Bedachten gleichzustellen; diese Absicht hat der Gesetzgeber zwar geäußert, auf entsprechende Anhaltspunkte im Wortlaut des § 7 Abs. 8 ErbStG jedoch verzichtet. Die offizielle Weisung, die Anteilswerterhöhung durch den gemeinen Wert der Leistung des Zuwenders zu deckeln, entspricht nicht der gesetzlichen Regelung, wird aber nicht kritisiert. Kann der Wert nicht börsennotierter Anteile nicht aus Fremdverkäufen abgeleitet werden, kommt es auf den Substanzwert des Gesellschaftsvermögens an, der ausdrücklich "nicht unterschritten" werden darf (§ 11 Abs. 2 Sätze 2–4 BewG). Anteilswertsteigernd wirkt daher jede betragsmäßig greifbare Erhöhung aktiver Bilanzansätze und Reduzierung von Gesellschaftsschulden. Beachten Sie: Negiert die Schenkungsteuerstelle ohnehin die bilanzielle Vermögensmehrung der Kapitalgesellschaft, sollte man beim Schulderlass nicht über den Wert der Gläubigerforderung streiten. Für das Gesellschaftsvermögen mehrenden Grundbesitz sind die Bedarfswerte maßgebend (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 i.V.m. §§ 99 Abs. 3, 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 ff. BewG); deren förmliche Ermittlung hat das Geschäftsleitungsfinanzamt auch dann zu veranlassen (§§ 151 Abs. 1 Satz 2, Alt. 2; 152 Nr. 3 BewG), wenn es nur im Wege der Amtshilfe tätig wird. Die wertbeeinflussende Wirkung von Nutzungen und Dienstleistungen ist, jedenfalls nach § 200 Abs. 4 BewG, kaum greifbar.
Rz. 644
Ob sich der II. BFH-Senat im Verfahren II R 22/21 dazu äußern wird, dass das beklagte Finanzamt die dem Kläger...