Rz. 595
Ist im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft oder einer GmbH bestimmt, dass der (die) Erbe(n) eines Gesellschafters gegen Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden hat (haben), zählt der Abfindungsanspruch anstelle der (höherwertigen) Beteiligung des Erblassers zum Vermögensanfall i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, der als Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall (§ 1922 BGB) nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegt. Dies setzt nach § 10 Abs. 10 ErbStG voraus, dass unverzüglich nach dem Erwerb die Mitgliedschaftsrechte bzw. Geschäftsanteile entweder an die Mitgesellschafter übertragen (Satz 1, Satz 2 Alt. 1) oder die GmbH-Anteile eingezogen werden (Satz 3). In solchen Fällen bringt § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG auch die Schenkungsteuer ins Spiel (s. Rz. 553): "Bei Übertragungen im Sinne des § 10 Abs. 10 gelten die Sätze 1 und 2 (des § 7 Abs. 7 ErbStG) sinngemäß." Die Bereicherung der Mitgesellschafter des Erblassers, die sie mit dem Erwerb seiner Beteiligung bzw. dem Einzug seiner GmbH-Anteile erfahren, gilt somit als Schenkung des (der) Erben.
Rz. 596
Ob dem Gesetzgeber damit ein Meisterstück gelang, darf man wohl bezweifeln. So kommt es in Einziehungsfällen zur Überschneidung mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ErbStG; die verbliebenen Gesellschafter könnten wählen zwischen einem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen nach dem Erblasser oder schenkungsteuerpflichtigen Schenkungen des/der Erben, demnach sich vielleicht auch das Besteuerungsfinanzamt aussuchen (§ 35 Abs. 1–3 ErbStG; spez. zu Schenkungen einer Erbengemeinschaft s. § 35 ErbStG Rz. 45 ff.). Und eine tatbestandsmäßige Anteilsabtretung wäre, obwohl eigentlich nicht subsummierbar (s. Rz. 560, 572, 574), zumindest "sinngemäß" nun doch als Übergang eines Anteils i.S.d. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG zu behandeln.
Rz. 597
Allerdings steht den Steuerpflichtigen nur ein enges Zeitfenster zur Verfügung. Tatbestandlich verknüpft mit § 10 Abs. 10 ErbStG beschränkt sich § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG auf solche "Übertragungen", die unverzüglich nach (dem) Erwerb des(r) Erben, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) und damit innerhalb angemessener Zeit nach dem Erbfall vollzogen werden. Zwar in anderem Zusammenhang, aber auch zu einer Erben begünstigenden Vorschrift, akzeptiert der BFH regelmäßig einen Zeitraum von nur sechs Monaten. Es spricht nichts dagegen, diese Regelfrist bei Anwendung des § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG, einer die Steuerpflichtigen belastenden Norm, erst recht zu beachten.
Rz. 598
Dass in einer derart kurzen Zeit der wichtigste Parameter, der Steuerwert der Gesellschaftsanteile des Erblassers, nicht verbindlich, d.h. rechtssicher durch Bedarfswertbescheid, feststehen wird, liegt auf der Hand. Die Steuerpflichtigen würden die Katze im Sack kaufen, wenn sie die gesellschaftsvertraglich vorgesehene Rechtsnachfolge schnellstmöglich nach dem Erbfall regeln. Über die Risiken und Neben-/Folgewirkungen sollte man sie daher umfassend aufklären. Den anderen bzw. in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern droht bei verzögertem Anteilserwerb derzeit keine Inanspruchnahme nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG (Rz. 560, 572), bei späterer Einziehung von GmbH-Anteilen vielleicht aber eine höhere Besteuerung nach § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG als nach § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG (auch wegen unterschiedlicher Bewertungsstichtage). Für den/die Erben ist allerdings mit den vermeintlichen Erbschaftsteuervorteilen des § 10 Abs. 10 ErbStG zwangsläufig stets das Risiko verbunden, als fiktive(r) Schenker nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG für eine bei den Mitgesellschaftern des Erblassers nicht realisierbar Schenkungsteuer zu haften (s. § 20 ErbStG Rz. 17 ff.). Realistisch betrachtet, dürfte ein tatsächlicher Anwendungsfall des § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG allenfalls zufällig zur Besteuerung kommen.
Rz. 599– 600
Einstweilen frei.