Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
a) Erteilte Fortschreibungsbescheide
Rz. 348
Liegen die Voraussetzungen der § 361 Abs. 2 Satz 2 AO, § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO vor, kann das Finanzamt oder das Finanzgericht die Vollziehung des Fortschreibungsbescheids aussetzen. Das gilt nicht nur für Wertfortschreibungen, sondern auch für Art- oder Zurechnungsfortschreibungen sowie bei einem Streit über die Höhe der Anteile am Betriebsvermögen.
Rz. 349
Soweit die Vollziehung des Fortschreibungsbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung der Folgebescheide auszusetzen (§ 361 Abs. 3 Satz 1 AO; § 69 Abs. 2 Satz 4 AO). Der Fortschreibungsbescheid hat den Rang eines Grundlagenbescheids i.S.d. § 171 Abs. 10 AO. Vorrang hat die Aussetzung des Fortschreibungsbescheids. Der Stpfl. kann vorläufigen Rechtsschutz nur durch Aussetzung der Vollziehung des Fortschreibungsbescheids, nicht jedoch der Folgebescheide, erreichen.
Rz. 350
Die Aussetzung der Vollziehung des Fortschreibungsbescheids beschränkt sich auf die Suspendierung der Rechtsfolgen, die von ihm gegenüber der vorangegangenen Feststellung ausgehen, und außerdem auf diejenigen Stichtage, zu denen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen. Außerdem kann die Vollziehung des Fortschreibungsbescheids nur hinsichtlich derjenigen Fortschreibungsart ausgesetzt werden, die der Stpfl. angefochten hat. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rspr. ist im Aussetzungsverfahren eine Hinzuziehung oder Beiladung anderer Beteiligter nicht erforderlich.
Rz. 351
Nicht eindeutig geklärt ist die Frage, ob auch bei einer Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung eine Aussetzung der Vollziehung möglich ist. Sofern ein entsprechender Antrag gestellt wird, ist trotz des Vorläufigkeitsvermerks (vgl. Anm. 345) auch eine Beschwer gegeben. Gleichwohl wird das FA in diesen Fällen einen entsprechenden Aussetzungsantrag regelmäßig ablehnen. Der Grund dafür ist in der Rechtsprechung des BFH zu sehen, die bei dieser Fallgestaltung eine restriktive Haltung einnimmt und neben den Zweifeln an der Rechtmäßigkeit weitere Aspekte hervorhebt. So muss in jedem Einzelfall festgestellt werden, ob der Stpfl. an der Aussetzung der Vollziehung ein berechtigtes Interesse hat, das dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes vorgeht.
Rz. 352– 353
Einstweilen frei.
b) Ablehnung der Fortschreibung
Rz. 354
Bei Ablehnung einer Fortschreibung ist vorläufiger Rechtsschutz ebenfalls durch Aussetzung der Vollziehung des Ablehnungsbescheids und nicht durch einstweilige Anordnung i.S.d. § 114 FGO zu gewähren. Eine einstweilige Anordnung würde in aller Regel schon daran scheitern, dass es an einem Anordnungsgrund fehlt.
Rz. 355
Dem Stpfl. darf auch bei Fortschreibungsbescheiden in Bezug auf den vorläufigen Rechtsschutz kein Nachteil daraus entstehen, dass der Steuerfestsetzung verfahrensrechtlich das Einheitswertfeststellungsverfahren vorgeschaltet ist.
Rz. 356
Die Vollziehung der Ablehnung eines Fortschreibungsbescheids ist demnach bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit mit der Maßgabe auszusetzen, dass vorläufig von dem Rechtszustand auszugehen ist, der bei Durchführung der beantragten Fortschreibung bestehen würde. Dabei muss wiederum beachtet werden, dass die Aussetzung der Vollziehung auf die angefochtene Fortschreibungsart und die Stichtage beschränkt wird, für die eine rechtmäßige Fortschreibung in Betracht kommt.
Rz. 357
Auch bei der Aussetzung der Vollziehung der Ablehnung einer Zurechnungsfortschreibung ist die Beiladung des Zurechnungsträgers, der keinen Antrag gestellt hat, nicht erforderlich.
Rz. 358
Beispiel:
Das Finanzamt hat es abgelehnt, den Einheitswert für ein Grundstück auf den 1.1.2007 statt wie bisher dem Veräußerer A dem Erwerber B zuzurechnen. A legt Einspruch ein und beantragt die Aussetzung der Vollziehung des Ablehnungsbescheids. Da die Voraussetzungen der §§ 361 Abs. 2 Satz 2 AO vorliegen, ist die Vollziehung des Ablehnungsbescheids mit der Maßgabe auszusetzen, dass vorläufig die wirtschaftliche Einheit ab 1.1.2007 nicht mehr dem A zugerechnet wird.
B ist zu dem Aussetzungsverfahren nicht hinzuzuziehen, weil die Aussetzung der Vollziehung des Ablehnungsbescheids für ihn keine Auswirkungen hat. Die vorläufige Nichtzurechnung auf A bedeutet nicht, dass...