a) Grundrechte und Grundfreiheiten
Rz. 73
Die Bewertung von ausländischem Sachvermögen i.S.d. § 31 BewG bzw. die darauf beruhende Besteuerung muss sich im Einzelfall sowohl an dem innerstaatlichen Recht des Grundgesetzes sowie den europarechtlichen Vorschriften als höherrangigem Recht messen lassen. Während sich hinsichtlich des Grundgesetzes grundsätzlich die Frage der unzulässigen Ungleichbehandlung zwischen in- und ausländischem Vermögen anlässlich der Bewertung bzw. Besteuerung stellen kann, kann es im Hinblick auf das bestehende Europarecht in diesen Fällen insb. zu einer unzulässigen Einschränkung der Kapitalverkehrs- bzw. Niederlassungsfreiheit kommen. Diese Fragestellungen können sowohl für in der Vergangenheit als auch zukünftig verwirklichte Sachverhalte immer dann eine entscheidende Bedeutung haben, wenn es bei der Besteuerung von in- und ausländischem Sachvermögen mit vergleichbaren Sachverhalten zu unterschiedlichen Steuerbelastungen kommen sollte. Kennzeichnend ist in den einschlägigen Fällen jeweils, dass es nicht ausschließlich um die Rechtmäßigkeit eines Bewertungs- bzw. Besteuerungsverfahrens für ausländisches Sachvermögen für sich genommen geht, sondern eine abweichende, willkürliche und für den Steuerpflichtigen ungünstigere Behandlung im Verhältnis zu inländischem Sachvermögen vorliegt. Von wesentlicher Bedeutung für die Frage eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht sind daher neben der praktischen Handhabung die konkreten Ausgestaltungen der entsprechenden Vorschriften, die für die Bewertung bzw. Besteuerung von vergleichbaren inländischem Sachvermögen im Einzelfall gelten. Die entscheidende Frage wird dabei sein, ob trotz der übereinstimmenden Ausrichtung der Bewertungen des aus- und inländischen Sachvermögens am gemeinen Wert i.S.d. § 9 BewG eine Ungleichbehandlung gleichwohl angenommen werden kann. Teile der Literatur gehen davon aus, dass eine Begünstigung des inländischen Vermögens seit dem ErbStRG 2009 infolge der übergreifenden Ausrichtung am gemeinen Wert ausgeschlossen sei. ME kann gleichwohl im Einzelfall eine relevante Ungleichbehandlung insb. im Hinblick auf die für inländisches Grundvermögen anzuwendende typisierende Bewertung gemäß §§ 138 ff. BewG nicht ausgeschlossen werden. Es kann sich insoweit m.E. die Frage der Vereinbarkeit von "individuellem" und "typisiert ermitteltem" gemeinen Wert stellen.
b) Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz
Rz. 74
Soweit im Verhältnis zu inländischem Vermögen – land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, Grundvermögen oder Betriebsvermögen, verhältnismäßig ungünstigere Bewertungs- bzw. Besteuerungsvorschriften für Auslandsvermögen bestehen, kann dies zu einem Verstoß gegen den grundgesetzlich garantierten Gleichbehandlungssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führen. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass Auslandsvermögens eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber vergleichbarem Inlandsvermögen erfährt. Für die Annahme eines Verfassungsverstosses muss die Ungleichbehandlung dazu führen, dass diese für das ausländische Vermögen im Verhältnis zum inländischen Vermögen zu einer relevant höheren inländischen Steuerbelastung führt. Hinsichtlich der Belegenheit des ausländischen Vermögens ist dabei unerheblich, ob diese in einem EU-Staat oder einem Drittstaat besteht.
Rz. 75
Der Gleichheitssatz i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt speziell für das Steuerrecht, dass Steuerpflichtige hinsichtlich vergleichbarer Sachverhalte steuergesetzlich gleichmäßig belastet werden. Das danach – unbeschadet verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen – gebotene Gleichmaß realisiert sich im Einzelfall in der Steuerlast, die durch die Anwendung der Steuergesetze beim einzelnen Steuerpflichtigen erreicht wird.
Rz. 76
Für die Verneinung eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz müssen unterschiedliche Wertansätze bzw. Besteuerungen auf sachlichen Gründen beruhen. Unerheblich für die Frage der rechtmäßigen Ungleichbehandlung ist, ob der Gesetzgeber für einen Bewertungs- bzw. Besteuerungstatbestand die zweckmäßigste bzw. gerechteste Regelung verabschiedet hat. Nach Auffassung des BVerfG belässt der in Art. 3 GG niedergelegte Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes eine umfangreiche Gestaltungsfreiheit, die ihn insb. dazu berechtigt, sich bei der Gesetzesabfassung auch von außerfiskalischen Erwägungen leiten zu lassen. Fehlen Gründe für eine Differenzierung, so liegt ein Fall unzulässiger Willkür vor, der zur Verfassungswidrigkeit des Regelungsbereiches bzw. der konkreten Einzelentscheidung führt.
Rz. 77
Unterschiedliche Regelungen zur Bewertung bzw. Besteuerung der zu besteuernden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter dürfen Sachverhalte typisierend regeln, jedoch darf die sich daraus ergebende wirtschaftlich ungleiche Wirkung für die Steuerpflichtigen ein gewisses...