Rz. 89

[Autor/Stand] Ist eine durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer zu ermitteln, dürfte sich regelmäßig eine Gesamtnutzungsdauer ergeben, die nicht den glatten Stufen der 10 Jahressprünge der Anlage 22 zum Bewertungsgesetz entspricht. In diesen Fällen stellt sich die Frage, wie im Falle einer überwiegenden oder umfassenden Modernisierung die Verlängerung der Restnutzungsdauer zu berechnen ist. Dies ist deshalb problematisch, weil die Tabellen 2–6 des R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019[2] jeweils von einer Gesamtnutzungsdauer ausgehen, die den Zehnersprüngen der Anlage 22 zum Bewertungsgesetz entspricht (vgl. hierzu Rz. 64).

 

Rz. 90

[Autor/Stand] Nach der Überschrift der Tabelle 2 des R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019 ist die Tabelle lediglich in den Fällen einer üblichen Gesamtnutzungsdauer "von" 70 Jahren anzuwenden. Die Tabelle gilt also nicht auch für Gebäude mit einer Gesamtnutzungsdauer von "bis zu" 70 Jahren. Dies gilt analog auch für die Tabellen 3–6. Bei einer durchschnittlichen Gesamtnutzungsdauer von beispielsweise 56 Jahren ist nun fraglich, ob die Tabelle 4 oder die Tabelle 5 anzuwenden ist. Die Regelung des R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019, nach der eine Interpolation nicht in Betracht kommt, dürfte sich nur auf die Bestimmung der neuen Restnutzungsdauer in Abhängigkeit vom Gebäudealter innerhalb der jeweiligen Tabelle beziehen. Eine Interpolation zwischen den einzelnen Tabellen erscheint dagegen abwegig.

 

Rz. 91

[Autor/Stand] Eine Lösung wird in den ErbStR 2019 nicht angeboten. Es könnte einerseits die Auffassung vertreten werden, dass jeweils die Tabelle anzuwenden ist, bei der die ermittelte durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer der in der Tabellenüberschrift ausgewiesenen üblichen Gesamtnutzungsdauer am nächsten kommt. Bei einer genau in der Mitte von zwei Tabellen liegenden durchschnittlichen Gesamtnutzungsdauer wäre die Tabelle mit der niedrigeren üblichen Gesamtnutzungsdauer anzuwenden. Dieser Lösung ist m.E. der Vorzug einzuräumen.

 

Rz. 92

[Autor/Stand] Allerdings erscheint dieses Vorgehen nicht zwingend. Aus Vereinfachungsgründen könnte ebenso stets die Tabelle mit der niedrigeren üblichen Gesamtnutzungsdauer angewandt werden. Da die Verwaltung sich insoweit nicht eindeutig festgelegt hat, könnten Steuerzahler die Abrundung verlangen und bei einer durchschnittlichen Gesamtnutzungsdauer von beispielsweise 46 Jahren die Tabelle 4 anwenden wollen. Vermutlich wird sich die Finanzverwaltung für diese moderate Auslegung entscheiden.

 

Rz. 93

 

Beispiel (Besteuerungszeitpunkt vor dem 1.1.2016)

Für ein Gebäude ist eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 56 Jahren zutreffend ermittelt worden. Das Gebäude wurde 1990 errichtet und ist im Jahr 2010 zu bewerten. Bei den folgenden Modernisierungselementen sind in den vergangenen Jahren Verbesserungen vorgenommen worden:

 
Modernisierungselemente Punkte
Dacherneuerung inkl. Verbesserung der Wärmedämmung 3
Verbesserung der Fenster 2
Verbesserung der Leitungssysteme (Strom, Gas, Wasser, Abwasser) 2
Verbesserung der Heizungsanlage 2
Modernisierung von Bädern 2
Summe 11

Somit wurde das Gebäude nach dem Punktesystem des Abschn. 23 GV-Erlass vom 5.5.2009[6]"überwiegend modernisiert". Da die durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer 56 Jahre beträgt, ist m.E. Tabelle 4 zu Abschn. 23 GV-Erlass vom 5.5.2009 anzuwenden.

Es ergibt sich folgende Berechnung:

 
Übliche Gesamtnutzungsdauer   56 Jahre
Bewertungszeitpunkt 2010  
Baujahr    1990  
Alter des Gebäudes 20 Jahre 20 Jahre
Restnutzungsdauer   36 Jahre
Es ist wegen der überwiegenden Modernisierung eine Verlängerung der Restnutzungsdauer zu berücksichtigen. Aus Tabelle 4 zu Abschn. 23 GV-Erlass vom 5.5.2009 ergibt sich bei einem Alter des Gebäudes ab 20 Jahren und einer überwiegenden Modernisierung (11 Punkte) die folgende neue Restnutzungsdauer von 40 Jahren

[Autor/Stand] Würde man dagegen die neue Nutzungsdauer aus der Tabelle 5 ablesen, ergäbe sich bei einem Alter des Gebäudes von 20 Jahren unter Berücksichtigung einer überwiegenden Modernisierung (11 Punkte) eine neue Restnutzungsdauer von nur 30 Jahren. Das bedeutet, die überwiegende Modernisierung würde dazu führen, dass die regulär berechnete Restnutzungsdauer von 36 Jahren unterschritten würde und mit 30 Jahren zu berücksichtigen wäre. Dies erscheint widersinnig.

 

Rz. 94

 

Beispiel (Besteuerungszeitpunkt nach dem 31.12.2015)

Für ein Gebäude ist eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 58 Jahren zutreffend ermittelt worden. Das Gebäude wurde 1995 errichtet und ist im Jahr 2015 zu bewerten. Es sind Modernisierungselemente vorgenommen worden, die zu 14 Punkten führen. Somit wurde das Gebäude nach dem Punktesystem des R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019 "überwiegend modernisiert". Da die durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer 58 Jahre beträgt, ist m.E. Tabelle 3 des R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019 anzuwenden.

Es ergibt sich folgende Berechnung:

 
Übliche Gesamtnutzungsdauer   58 Jahre
Bewertungszeitpunkt 2015  
Baujahr    1995  
Alter des Gebäudes 20 Jahre 20 Jahre
Restnutzungsdauer   38 Jahre
Es ist wegen ...

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