Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
I. Rechtsform
Rz. 1
Die Rechtsform des "Wohnungseigentums" und des "Teileigentums" wurden durch das Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz – WEG –) v. 15.3.51 (BGBl. I, 175, ber. 209), zuletzt geändert durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 v. 14.12.84 (BGBl. I, 1493) neu geschaffen. Sie ermöglichen es, selbstständiges Eigentum an realen Teilen eines Gebäudes zu erwerben, über das der Eigentümer frei verfügen, das er veräußern, vermieten, vererben und auch selbstständig belasten kann.
Das Wohnungseigentumsgesetz enthielt zunächst die Regelung, dass dass jedes Wohnungseigentum eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. Bewertungsgesetzes und einen selbstständigen Steuergegenstand i.S.d. Grundsteuergesetzes bildet (§ 61 WEG). Da diese Vorschrift durch das BewG-ÄndG 1966 in das Bewertungsgesetz 1965 (§ 93 Abs. 1 Satz 1) übernommen worden ist, konnte § 61 WEG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 v. 14.12.84 (BGBl. I, 1493) gestrichen werden.
Vor der Hauptfeststellung 1964 bestanden keine gesetzlichen Regelungen zur Bewertung des Wohnungseigentums und des Teileigentums. Es gab lediglich Verwaltungsanweisungen, die die Grundlage zu der durch § 93 BewG 1965 getroffenen Regelung zur Bewertung des Wohnungseigentums und Teileigentums bildeten.
II. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.4.2018
Rz. 1.1
Mit den Entscheidungen vom 18.4.2018 hat das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit der Einheitsbewertung mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt. Ursächlich hierfür sind flächendeckend auftretende Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung. Die Ungleichbehandlungen sind in der normativen Struktur der Einheitsbewertung in ihrer heutigen Handhabung angelegt und von solchem Ausmaß, dass sie eine strenge Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG verlangen. Nach der Entscheidung stehen dem Gesetzgeber vielfältige Möglichkeiten zur Schaffung eines verfassungsgemäßen Zustands zu Verfügung.
Rz. 1.2
Mit Blick auf drohende Vollzugsprobleme sowie die erhebliche finanzielle Bedeutung der Grundsteuer hat das BVerfG die Fortgeltung der beanstandeten Regelungen zunächst bis zum Ergehen einer Neuregelung, insoweit längstens bis zum 31.12.2019, angeordnet. Darüber hinaus hat das BVerfG aufgrund der besonderen Sachgesetzlichkeiten der Grundsteuer (Umsetzungsaufwand einer Neubewertung) eine weitere Fortgeltung der beanstandeten Normen für fünf Jahre nach Verkündung der Neuregelung, längstens aber bis zum 31.12.2024, angeordnet.
Rz. 1.3
Zwar ist die Einheitsbewertung für Grundstücke in den neuen Ländern nicht unmittelbar von der Entscheidung des BVerfG vom 18.4.2018 betroffen. Nach der Entscheidung ist nur die Einheitsbewertung in den alten Ländern mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Dennoch sieht das Gesetzespaket zur Grundsteuerreform Neuregelungen auch für die neuen Länder vor.
Rz. 1.4
Mit dem Gesetzespaket zur Grundsteuerreform ist auch eine Gesetzgebungskompetenz zugunsten der Länder eingeführt worden. Damit erhalten die Länder die Möglichkeiten, vom Bundesmodell – vollständig – abzuweichen, um ein eigenes Grundsteuermodell einzuführen.
Rz. 1.5
Fraglich dürfte es allerdings erscheinen, wie das Bundesverfassungsgericht die Nutzung der gesetzten Fristen beurteilen wird. Denn die getrennten Fristen für den Gesetzgeber und die anschließende verwaltungsmäßige Umsetzung waren aus Rücksicht auf den Umfang der anstehenden Arbeiten bemessen worden. Sofern nun einzelne – oder möglicherweise alle – Länder nach Ablauf der für den Gesetzgeber geltenden Frist des 31.12.2019 eigene Grundsteuermodelle konzipieren, stellt sich die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht solche Gesetze auch unter den Schutz der getroffenen Weitergeltungsanordnung stellt.
Rz. 1.6
Somit ist offen, ob ein nach dem 31.12.2019 verabschiedetes Ländergesetz, das ab dem 1.1.2025 angewendet werden soll, ebenso wie das – rechtzeitig vor dem 31.12.2019 verabschiedete – Bundesgesetz dazu berechtigt, die Grundsteuer in der Zeit zwischen dem 1.1.2020 und dem 1.1.2025 weiterhin nach den alten Einheitswerten zu erheben. Wäre dies nicht der Fall, weil das Ländergesetz nicht entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts rechtzeitig bis zum 31.12.2019 verabschiedet war, liefen die Kommunen des Landes Gefahr, im Falle einer verfassungsrechtlichen Prüfung die Grundsteuer für die Jahre ab 2020 erstatten zu müssen.