Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
I. Einheitsbewertung zum 1.1.1964
Rz. 1
Bei der Einheitsbewertung zum 1.1.1964 sind Gebäude und Gebäudeteile sowie Anlagen, die zum Schutz der Bevölkerung sowie lebens- und verteidigungswichtiger Sachgüter vor der Wirkung von Angriffswaffen geschaffen worden sind, bei der Ermittlung des Einheitswerts außer Betracht zu lassen, wenn sie im Frieden nicht oder nur gelegentlich oder geringfügig für andere Zwecke benutzt werden (§ 71 BewG). Wegen weiterer Einzelheiten zur Gewährung der Steuerbefreiungsvorschrift vgl. Abschn. 5 BewRGr.
II. Befreiungsvorschrift im Rahmen der Grundstücksbewertung
Rz. 2
§ 150 BewG führt die bisherige Befreiungsvorschrift aus der Einheitsbewertung 1964 fort. Gebäude, Gebäudeteile und Anlagen, die zu den in § 1 des Zivilschutzgesetzes (ZSG) bezeichneten Zwecken geschaffen worden sind und im Frieden nicht oder nur gelegentlich oder geringfügig für andere Zwecke benutzt werden, bleiben bei der Grundstücksbewertung außer Betracht. Dies wirkt sich nicht nur auf den Grundstückswert für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke aus, sondern auch auf den Grundstückswert für grunderwerbsteuerliche Zwecke, soweit dieser "ersatzweise" bei der Besteuerung zugrunde gelegt wird.
Rz. 3
In der Regierungsvorlage wird zur Begründung auf Folgendes hingewiesen:
"In Fortführung des bisherigen § 71 BewG sollen Gebäude und Gebäudeteile befreit werden, die für den Zivilschutz genutzt werden. Die Vorschrift berücksichtigt die Änderungen, die sich durch den Entwurf des Zivilschutzgesetzes ergeben. Die Befreiung ist wie bisher davon abhängig, dass die Gebäude oder Gebäudeteile im Frieden nicht oder nur gelegentlich oder geringfügig für andere Zwecke benutzt werden. Da die Befreiung bereits bei der Ermittlung des Grundstückswerts zu berücksichtigen ist, wirkt sie sich auf die Erbschaftsteuer und auch auf die Grunderwerbsteuer aus."
III. Entscheidung des BVerfG vom 23.6.2015
Rz. 4
Mit dem Beschluss vom 23.6.2015 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 8 Abs. 2 GrEStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Vielmehr müsse, wenn der Gesetzgeber zur Bemessung der Steuer neben einem Regelbemessungsmaßstab einen Ersatzmaßstab vorsieht, dieser Ergebnisse erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind. Das war bei der Ersatzbemessungsgrundlage nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes nicht der Fall, so dass sie dem Grundsatz der Lastengleichheit nicht genügte. Das BVerfG fordert für eine gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen, dass für die von einer Steuer erfassten Wirtschaftsgüter eine Bemessungsgrundlage gefunden wird, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbildet.
Rz. 5
Entsprechend der Änderung der in § 8 Abs. 2 GrEStG i.d.F. des Art. 8 Nr. 2 StÄndG 2015 enthaltenen Verweise gelten – rückwirkend – auch bei Bewertungen für Zwecke der Grunderwerbsteuer die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes. Betroffen sind bei der Grunderwerbsteuer alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht werden. Somit hat § 150 BewG nur noch Bedeutung für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009.
Rz. 6
Bei der verwaltungsmäßigen Umsetzung ergaben sich verschiedene verfahrensrechtliche Fragen. Bezüglich der mit der Rückwirkung in der Praxis verbundenen Fragestellungen vgl. § 138 BewG Rz. 25.11 ff.