Rz. 1
Das ErbStG kennt keine originäre, sondern lediglich eine potenzielle Steuererklärungspflicht der Beteiligten eines Erwerbsvorgangs (s. aber Rz. 24). Erklärungspflichtig werden sie daher nur durch entsprechende Aufforderung der Finanzbehörde (§ 149 Abs. 1 Sätze 1, 2 AO). Mit der Entscheidung, eine Erbschaft-/Schenkungsteuererklärung anzufordern, entschließt sich das Erbschaft-/Schenkungsteuerfinanzamt, ein Besteuerungsverfahren aufzunehmen (§ 86 Satz 1 AO).
Rz. 2
Regelmäßig beruht diese Entscheidung auf den zuvor eingegangen Informationen der anzeigepflichtigen Personen, Institutionen und Behörden (s. § 30 ErbStG Rz. 1, 2). Ist der dadurch bekannt gewordene Erwerb (möglicherweise) steuerpflichtig, nicht eindeutig steuerfrei oder lässt sich dies nicht innerhalb von drei Jahren nach Eingang der ersten Mitteilung beantworten, muss der Sachverhalt unter Mitwirkung der Beteiligten von Amts wegen aufgeklärt werden (§§ 86, 88, 90 AO).
Rz. 3
Selbstverständlich gilt diese Amtspflicht auch, wenn potenziell steuerbare Vorgänge auf andere Weise, z.B. durch Presse, Rundfunk und Fernsehen, bekannt werden. Deshalb ist im Falle der in § 30 ErbStG Rz. 10.1 erwähnten Zuwendungen eigentlich jedes der zurzeit noch 46 deutschen Erbschaft-/Schenkungsteuerfinanzämter zur Aufnahme eines Besteuerungsverfahrens verpflichtet und müsste jeweils nach Bekanntwerden eines Schenkers die Sache an die zuständige Schenkungsteuerstelle abgeben.
Rz. 4
§ 31 Abs. 1 Satz 3 ErbStG erlaubt seit dem 29.12.2020 ausdrücklich auch "in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 (ErbStG)", d.h. für Zwecke der Erhebung der Ersatzerbschaftsteuer, dem zuständigen Finanzamt (s. § 35 Abs. 4 ErbStG) die Anforderung von Steuererklärungen. Damit wurde keine lediglich klarstellende Regelung getroffen, sondern eine langjährige Gesetzeslücke geschlossen. Die Vorschrift wirkt daher konstitutiv und kann folglich für vor dem 29.12.2020 entstandene Ersatzerbschaftsteueransprüche – der Steuerentstehungszeitpunkt bestimmt sich nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG – nicht gelten. Ob sie allerdings tatsächlich für solche, nach dem 28.12.2020 entstehende Steueransprüche gilt, ist womöglich nicht exakt geregelt. Da § 37 Abs. 18 ErbStG für die Anwendung aller mit dem JStG 2020 geänderten Vorschriften des ErbStG an steuerbare Erwerbe anknüpft, könnte es durchaus sein, dass der Disput darüber, ob es sich in Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG überhaupt um "Erwerbe" handelt, in Bezug auf § 30 ErbStG womöglich unergiebig geworden (s. § 30 ErbStG Rz. 29), nun bei Anforderung von Ersatzerbschaftsteuererklärungen wieder aufflammt.
Rz. 5
Einstweilen frei.