I. Allgemeine Aspekte des dreistufigen Ermittlungsverfahrens
Rz. 1
Die Vorschrift des § 85 BewG stellt die Grundsätze zur Ermittlung des Gebäudewerts im Einzelnen auf. Weitere Vorgaben zur Ermittlung des Gebäudewerts enthält das Bewertungsgesetz nicht. Die Ermittlung des Gebäudewertes erfolgt im Rahmen eines dreistufigen Verfahrens:
1. Stufe: Bestimmung des Gebäudenormalherstellungswertes
Ermittlung der durchschnittlichen Herstellungskosten 1958, die auf die Baupreisverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 umgerechnet werden.
2. Stufe: Bestimmung des Gebäudesachwertes
Abzug von Wertminderungen wegen Alters (§ 86 BewG) und wegen etwaiger Baumängel und Bauschäden (§ 87 BewG) vom Gebäudenormalherstellungswert
3. Stufe: Ermittlung des Gebäudewertes
Ermäßigungen und Erhöhungen gemäß § 88 BewG des Gebäudewertes
Rz. 2
Zur Ermittlung des Gebäudewertes bedarf es verschiedener tatsächlicher Feststellungen. Diese umfassen im Einzelnen:
Rz. 3
Die Finanzverwaltung hat hinsichtlich der Einzelheiten der Wertbestimmung von Gebäuden detaillierte Vorgaben gemacht. Dazu gehören:
Rz. 4
Die Angaben in den Anlagen 13 bis 16 haben keine allgemeine rechtsverbindliche Kraft. Sie vermögen allenfalls die Finanzverwaltung im Verhältnis zum Steuerpflichtigen im Hinblick auf den dadurch erzeugten Vertrauenstatbestand binden. Unabhängig davon sieht auch der Richtliniengeber selbst die Regelungen nicht als abschließend an. Z.B. sind nach der ausdrücklichen Anweisung in Anlage 14, Teil B, Vorbemerkung Abs. 2, letzter Satz die Raummeterpreise für neuaufkommende Konstruktionen ggf. zu ermäßigen bzw. zu erhöhen.
Rz. 5
Eine der Finanzverwaltung vergleichbare Bindung kann dagegen nicht für die Finanzrechtsprechung bestehen. Deren Bindung kann grundsätzlich nur durch gesetzliche Vorgaben erfolgen (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 97 GG). Verwaltungsvorschriften in Form von Richtlinien, Erlassen und Verfügungen können nur die nachgeordneten Verwaltungsdienststellen binden. Eine für die Rechtsprechung zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht im Hinblick auf den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Gleichbehandlungsgrundsatz ausnahmsweise im Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit. Damit wird der Bereich des Ermessens, der Billigkeit sowie der Typisierung bzw. Pauschalisierung erfasst. Mit einer solchen Maßgabe wird die Bedeutung, die den BewRGr für die Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung, für die Rechtssicherheit sowie die Praktikabilität des Bewertungsverfahrens zukommt, ausreichend gewürdigt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Finanzgerichte keine Möglichkeit dahingehend haben, von sich aus die Verwaltungsanweisungen nach eigenem Ermessen auszulegen. Seitens der Gerichte darf eine Überprüfung nur dahingehend erfolgen, ob die seitens der Finanzbehörde erfolgte Auslegung nach dem Wortlaut der Verwaltungsanweisung möglich ist. Ist es letztendlich für die Finanzbehörde zweifelhaft, ob ein konkreter Sachverhalt unter die entsprechende Verwaltungsanweisung fällt, obliegt der Behörde die Entscheidung darüber, ob die Regelung anzuwenden ist oder nicht.
Rz. 6
Die Ermittlung des Einheitswertes als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer zumindest für Jahre ab 1.1.2007 insb. nach dem Sachwertverfahren wird seitens des BFH als verfassungswidrig angesehen. Der BFH hält nunmehr die mehr als vier Jahrzehnte unveränderte Bewertung des Grundvermögens für unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und mit dem Erfordernis einer realitätsgerechten Bewertung. Im Ergebnis geht es dabei letztendlich um eine Anpassung der unterschiedlichen Wertansätze für die zu bewertenden Einheiten. Kritisch hinterfragt werden kann, warum der BFH der Auffassung ist, zumindest bis zum 1.1.2007, d.h. 43 Jahre nach dem letzten Hauptfeststellungszeitpunkt für die Bestellung des Einheitswertes, die derart ermittelte Grundsteuer noch dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundrecht in Art. 3...