Rz. 102
[Autor/Stand] Die Bereicherung des Erwerbers muss Folge einer nicht nur unentgeltlichen, sondern auch freigebigen Vorteilsgewährung des Schenkers sein (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). § 40 ErbStG i.d.F. v. 10.9.1919[2] verlangte hierzu noch eine ausdrücklich mit dem Willen zur Bereicherung des Bedachten vorgenommene Leistung des Zuwenders. Doch schon mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i.d.F. v. 20.7.1922[3] erhielt der Tatbestand der freigebigen Zuwendung seine heutige Fassung, nach dessen – übrigens auch schon zu § 55 Abs. 1 ErbStG 1906[4] – herrschender Interpretation[5] ein auf die Bereicherung des Erwerbers gerichteter Wille i.S. einer Bereicherungsabsicht nicht erforderlich ist (s. aber Rz. 660 ff. [zu § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG]).[6] Zur Freigebigkeit des Schenkers genügt vielmehr der (einseitige) Wille des Schenkers zur Unentgeltlichkeit: Er/Sie – bei Schenkung durch Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen die für sie (verantwortlich) handelnde(n) Person(en)[7] – muss (müssen) sich lediglich bewusst sein, ohne rechtliche Verpflichtung bzw. Verknüpfung mit einer gleichwertigen Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu leisten (s. auch Rz. 402).[8] Dies ist regelmäßig zu vermuten[9] und daher zu bejahen, wenn der Schenker die Tatsachen und Umstände kennt, die seine Zuwendung als objektiv unentgeltlich qualifizieren.[10] Zusätzliche subjektive Momente, insbesondere einen "Willen zur schenkweisen Zuwendung", lehnen Rechtsprechung und Finanzverwaltung ausdrücklich ab.[11]
Rz. 103
[Autor/Stand] Beachten Sie: Die Freigebigkeit wird unstreitig als subjektives Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in der Person des Schenkers lokalisiert.[13] Der II. BFH-Senat hält daran leider nicht uneingeschränkt fest. So verneinte er einst die objektive Freigebigkeit, um die Grunderwerbsteuerpflicht unentgeltlicher Grundstücksübertragungen der öffentlichen Hand zu bejahen (§ 3 Nr. 2 GrEStG).[14] Inzwischen verwendet er diese Formulierung nicht mehr.[15] Stattdessen spricht er nun von einer Freigebigkeit im Rechtssinne,[16] die nicht nur Trägern öffentlicher Verwaltung regelmäßig fehle (hierzu Rz. 438 ff), sondern auch bei Gesellschaftszwecken dienenden Zuwendungen societatis causa (s. Rz. 204, 432, 624)[17] sowie faktisch bei allen bereichernden Leistungen von Stiftungen (s. Rz. 330 ff.).[18] Überraschend blieb auch seine plötzliche Fokussierung auf den Erwerber: Es fehle die Freigebigkeit, wenn ihm einkommensteuerbare Vermögensvorteile zufließen (s. auch Rz. 73).[19] Dogmatisch bedarf dieser Wechsel der üblichen Perspektive vom Schenker hin auf den Erwerber noch eingehender Begründung, sollte der BFH dabei bleiben (s. Rz. 74); denn tatsächlich fehlt hierfür eine Rechtsgrundlage im ErbStG.[20]
Rz. 104
[Autor/Stand] Einstweilen frei.
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