I. Unmittelbare Zuwendungen
1. Steuerbare Erwerbsvorgänge
Rz. 5
Hauptanwendungsfall und "Grundmodell" der begrifflich weiter gefassten freigebigen Zuwendung ist die – noch in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.d.F. v. 1.4.1959 ausdrücklich genannte – Schenkung i.S.d. bürgerlichen Rechts. Zu Lebzeiten des Schenkers ausgeführte Vorteilsgewährungen müssen daher objektiv unentgeltlich geschehen. Sind sich die Beteiligten einig über dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, verwirklichen sie unter den weiteren Voraussetzungen des § 516 Abs. 1 BGB stets eine steuerbare Schenkung. Zur Steuerbarkeit der (sonstigen) frei gebig en Zuwendung genügt jedoch bereits allein das Bewusstsein des Schenkers unentgeltlich zu handeln; m.a.W.: Als Schenkung gilt jede objektiv unentgeltliche Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, es sei denn, dieser hätte nicht freigebig gehandelt. Einer zivilrechtlichen Schenkung bedarf es hierzu nicht.
Rz. 6
Wer im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte unentgeltlich leistet, handelt freigebig i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Unentgeltliche Zuwendungen sind in jeder denkbaren Rechtsform möglich. Sie müssen nicht ausdrücklich als Schenkung bezeichnet werden. Sie kommen auch in anderen zivilrechtlichen Vertragsformen vor (gemischte Schenkung) und/oder sind durch besondere Vertragsgestaltungen verborgen (verdeckte Schenkung). Da eine rechtsgeschäftliche Einigung der Beteiligten nicht erforderlich ist, genügt ohnehin jede einseitige willentliche Vorteilsgewährung. Spezielle Zweckvorstellungen sind, wenn sie nicht den Gegenstand der Zuwendung beeinflussen (mittelbare Schenkung), als bloße Motive des Schenkers regelmäßig unbeachtlich (§ 7 Abs. 4 ErbStG). Ob die Parteien einander nahe stehen oder nicht, ist eigentlich nur eine Frage der Steuerberechnung und spielt – s. auch § 15 Abs. 4 ErbStG – für die Steuerbarkeit grundsätzlich keine Rolle. Bei gesellschaftsrechtlich überlagerten Beziehungen der Zuwendungsbeteiligten sucht die Praxis ständig nach akzeptablen Lösungen (s. Rz. 26, 91, 95.5, 95.6, 204, 205 f.). Sehr schwer tun sich die Schenkungsteuerstellen mit Vorteilsgewährungen aus geschäftlichem Anlass (s. Rz. 192 f., 437 f.). Eine Sonderbehandlung erfahren Schenkungen der öffentlichen Hand (s. Rz. 103, 438 f.). Für Schenkungen durch Stiftungen hat der BFH inzwischen einen Freibrief ausgestellt.
2. Bereicherung des Erwerbers
a) Das Tatbestandsmerkmal der Bereicherung
Rz. 8
Das wichtigste Tatbestandsmerkmal der freigebigen Zuwendung ist die – objektive – Bereicherung des Bedachten. Sie zeigt sich i.d.R. als substanzieller Vermögenszuwachs, der nicht nur in einer Vermehrung der Vermögensgegenstände und Forderungen, sondern auch – bestätigt durch § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG (s. hierzu § 13 ErbStG Rz. 30 f.) – im Wegfall bzw. der Verringerung von Schulden und Belastungen bestehen kann. Steuerbar ist ebenso die Verhinderung einer Vermögensminderung durch Ersparen von Aufwand, beispielsweise bei Gewährung eines zinslosen/-günstigen Darlehens, oder (teil-)unentgeltlicher Nutzungsüberlassung (s. § 29 Abs. 2 ErbStG); auch die Inanspruchnahme von Reiseleistungen zählt hierzu. Zur Erfassung bloßer ...