I. Tatsächliche Nutzung am Bewertungsstichtag
Rz. 10
Für die Einordnung eines Grundstücks in die Grundstücksarten Mietwohn-, Geschäfts- und gemischtgenutztes Grundstück stellt das Gesetz entscheidend darauf ab, in welchem Umfang das Grundstück Wohnzwecken bzw. eigenen oder fremden gewerblichen/freiberuflichen (§ 96 BewG) oder öffentlichen Zwecken "dient". Entscheidend ist also die tatsächliche Nutzung des Grundstücks im jeweiligen Feststellungszeitpunkt (Stichtagsprinzip!). Wird ein Grundstück im Feststellungszeitpunkt vorübergehend nicht genutzt, kommt es darauf an, welchem Zweck es zu dienen bestimmt ist. Bei verschiedenartiger Nutzung ist die gesamte Jahresrohmiete in die Miete für Wohnräume einerseits und in die Miete für die gewerblichen und öffentlichen Zwecken dienenden Grundstücksteile andererseits aufzuteilen. Für die Einordnung in die Grundstücksgruppe der Einfamilien- und Zweifamilienhäuser ist entscheidend, ob das Gebäude nur eine oder zwei Wohnungen enthält. Dabei beinhaltet der Begriff "Wohnung" die tatsächliche Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken bzw. im Falle des vorübergehenden Leerstehens die Widmung hierzu. Bei den Ein- und Zweifamilienhäusern ist somit das wesentliche Kriterium der Bestand an Wohnungen. Enthält das Grundstück zwei Wohnungen und werden beide Wohnungen tatsächlich nur von einer Familie genutzt, so ist das Grundstück trotzdem ein Zweifamilienhaus. Im Falle einer Mitbenutzung von Ein- und Zweifamilienhäusern für gewerbliche (freiberufliche) oder öffentliche Zwecke kommt es darauf an, ob dadurch die Eigenart als Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus wesentlich beeinträchtigt wird (§ 75 Abs. 5 Satz 3 und § 75 Abs. 6 Satz 2).
Rz. 11
Auch bei einem Grundstück einer Erwerbsgesellschaft ist für die Zuordnung in eine der verschiedenen Grundstücksarten nicht der allgemeine Betriebszweck auf lange Sicht, sondern der unmittelbare Hauptzweck am Bewertungsstichtag maßgebend. Eine abweichende Nutzung infolge Zwangsmaßnahmen ist erst dann als eine Änderung der bisherigen Nutzung anzusehen, wenn der Eigentümer nach Freigabe das Grundstück einer anderen Nutzung zugeführt hat.
II. Grundstücksart bei teilbefreiten Grundstücken
Rz. 12
Für Grundstücke, die von allen einheitswertabhängigen Steuern befreit sind, werden Einheitswerte nicht festgestellt (vgl. § 19 Abs. 4 BewG). Da die Grundstückseinheitswerte heute nur noch für die Grundsteuer Relevanz haben, ist insoweit nur noch entscheidend, ob eine Grundsteuerbefreiung nach § 3 oder 4 GrStG vorliegt. Die Rechtsprechung hat aus dem Umstand, dass insoweit Steuerbefreiungen vorliegen, keine Einheitsbewertung stattfindet, beschlossen, dass ein steuerbefreiter Teil eines Grundstücks keinen Einfluss auf die Bestimmung der Grundstücksart hat, da er nicht Bestandteil der steuerpflichtigen wirtschaftlichen Einheit ist. Danach ist die festzustellende Grundstücksart bei Teilbefreiung des Grundstücks allein auf den in dieser Weise abgegrenzten, zu bewertenden, steuerpflichtigen Teil der wirtschaftlichen Einheit zu beziehen und der steuerbefreite Teil des Grundstücks bei der Entscheidung über die Grundstücksart außer Betracht zu lassen. Diese Rechtsprechung erscheint mit Rücksicht auf die Regelung des § 19 Abs. 4 BewG vertretbar. Nach dieser Vorschrift erfolgen nämlich Einheitswertfeststellungen nur, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Zu der Zeit, als Einheitswerte noch für verschiedene Steuerarten festgestellt wurden, konnte dies dazu führen, dass hinsichtlich eines Grundstücks die Feststellung unterschiedlicher Grundstücksarten erforderlich war. Dies nämlich dann, wenn Teile eines Grundstücks im verschiedenen Ausmaß den einzelnen einheitswertabhängigen Steuern unterlagen.
Rz. 13
Bedenken gegen diese Rechtsprechung bestehen jedoch insoweit, als hier bereits bei der Feststellung des Einheitswerts über Steuerbefreiungen entschieden wird. Die Entscheidung über Steuerbefreiungen gehört jedoch steuersystematisch in das Veranlagungs- bzw. Messbetragsverfahren.
III. Verhältnis der Jahresrohmiete bei verschiedenartiger Nutzung
Rz. 14
Für die Bestimmung der Grundstücksarten "Mietwohngrundstück", "Geschäftsgrundstück" und "gemischtgenutztes Grundstück" ist entscheidend, in welchem Umfang das Grundstück zu Wohnzwecken, gewerblichen oder öffentlichen Zwecken genutzt wird. Bei der Beurteilung, wie der für die Abgrenzung dieser drei Grundstücksarten maßgebenden Hundertsatz für die verschiedenartige Nutzung des Grundstücks zu ermitteln ist, stellt § 75 BewG 1965 wie § 32 Abs. 2 BewDV a.F. auf die Höhe der anteiligen Jahresrohmiete und nicht auf die Größe der genu...