Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
I. Nachweislast
Rz. 29
Der Steuerpflichtige trägt beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts eine Nachweislast und nicht eine bloße Darlegungslast. Dieser Nachweislast kommt der Steuerpflichtige in der Praxis regelmäßig durch Vorlage eines entsprechenden Gutachtens nach, das vom örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder von einem Sachverständigen für die Bewertung von unbebauten und bebauten Grundstücken erstellt worden ist. Für Bewertungsstichtage nach dem 22.7.2021 muss es sich bei den Sachverständigen um den zuständigen Gutachterausschusses i.S.d. §§ 192 ff. BauGB, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, oder um Personen handeln, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind (§ 198 Abs. 2 BewG). Damit wird die Nachweislast des Steuerpflichtigen um einen Qualifikationsnachweis des Gutachters erweitert.
Rz. 30
Dabei kann der Nachweis für sämtliche wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens geführt werden. Dies war für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2007 nur eingeschränkt möglich und teilweise problematisch, weil die Öffnungsklausel nach den gesetzlichen Vorgaben bei einzelnen wirtschaftlichen Einheiten nicht vorgesehen war.
Rz. 31
Diese Schwierigkeiten sind durch § 198 BewG beseitigt worden, weil dort nunmehr auf sämtliche Bewertungsregelungen des Bewertungsgesetzes verwiesen wird, die für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer anzuwenden sind.
II. Kein Gutachten für Einzelkomponenten
Rz. 32
Die Finanzverwaltung lehnt den gesonderten Nachweis zu einzelnen in den §§ 179 und 182 bis 196 BewG enthaltenen Bewertungsgrundlagen ab, die sich wertmindernd auswirken. Das bedeutet, der Steuerpflichtige kann innerhalb der steuerlichen Bewertungsregelungen nicht erfolgreich nachweisen, dass beispielsweise ein anderer Ansatz von Bewirtschaftungskosten oder Baumängel/-schäden zu einer Wertminderung führen. Vielmehr muss zur Berücksichtigung von derartigen Wertminderungen ein Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts für die wirtschaftliche Einheit insgesamt geführt werden.
Letztlich liegt hierbei die Überlegung zugrunde, dass die Bewertungsergebnisse eines pauschalierenden Bewertungsverfahren nicht dadurch verbessert werden können, indem lediglich einzelne Komponenten möglichst exakt bewertet werden. Die Pauschalierungsgedanke wird vielmehr davon getragen, dass eine Gesamtheit von durchschnittlichen Annahmen zu einem hinreichend realitätsnahen Ergebnis führt, sofern keine sich übermäßig auswirkenden individuellen Besonderheiten vorliegen. Dagegen würde das Berücksichtigen von Einzelkomponenten nicht zu einer Verbesserung, sondern allenfalls zu einer einseitigen Verschiebung der Bewertungsergebnisse führen.
Rz. 33
Von dieser Einschränkung gibt es eine Ausnahme. Bei der Ermittlung der üblichen Miete kann der Steuerpflichtige durch Vorlage eines Mietgutachtens die vom Finanzamt angesetzte übliche Miete beeinflussen. In der Bewertungspraxis hat die Vorlage eines Mietgutachtens jedoch nur eine nachrangige Bedeutung. Denn mit der Vorlage eines Mietgutachtens kann nicht nur der Ansatz eines niedrigeren Werts erreicht werden, sondern darüber hinaus auch die Maßgeblichkeit des jeweiligen Bewertungsverfahrens – Ertrags- oder Sachwertverfahren – beeinflusst werden. Das liegt daran, dass nach § 182 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 BewG nicht das Sachwert-, sondern das Ertragswertverfahren anzuwenden ist, wenn sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt keine übliche Miete ermitteln lässt. Das Vorhandensein einer üblichen Miete wird durch das Mietgutachen belegt.
III. Kosten des Gutachtens
Rz. 34
Die Kosten des Gutachtens trägt grundsätzlich der Steuerzahler, weil ihn nach § 198 Abs. 1 BewG die Nachweispflicht trifft. Deshalb muss der Steuerzahler die Wirtschaftlichkeit im Auge haben. Ein Gutachten lohnt sich nur, wenn der Steuerzahler die Kosten für das Gutachten aus der reduzierten Erbschaft-/Schenkungsteuer finanzieren kann. Die Überlegung der Wirtschaftlichkeit des Gutachtens muss daher in die Handlungsstrategie der steuerlichen Beratung mit einbezogen werden.
Einen Festpreis für ein Sachverständigengutachten gibt es nicht. Bei der Höhe des Honorars ist jedoch auch der Aufwand ausschlaggebend, der bei de...