Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
I. Fortschreibungs- und Nachfeststellungsbescheide
Rz. 15
Nach dem Gesetzeswortlaut dürfen nur Fortschreibungsbescheide (§ 222 BewG) und Nachfeststellungsbescheide (§ 223 BewG) vorzeitig erteilt werden. Auf Bescheide über die Hauptfeststellung (§ 221 BewG) und über die Aufhebung (§ 224 BewG) von Grundsteuerwerten ist die Vorschrift nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nicht anwendbar. Jedenfalls bei künftigen Hauptfeststellungsbescheiden bestände ein dringendes Bedürfnis der Praxis für den vorzeitigen Erlass von Bescheiden auf dieser Art. Die einschränkende Gesetzesfassung muss in diesem Punkt als verunglückt angesehen werden. Sie sollte im Interesse einer reibungslosen Vorbereitung der nächsten Hauptfeststellung des Grundbesitzes geändert werden. Siehe dazu aber Rz. 13.
Rz. 16
In einem weiteren Punkt erscheint der Wortlaut des § 225 Satz 1 BewG hinsichtlich seines Anwendungsbereichs wenig glücklich gefasst. Das Gesetz spricht von "Bescheiden über Fortschreibungen oder Nachfeststellungen von Grundsteuerwerten". Hieraus könnte geschlossen werden, dass damit nur Wertfortschreibungen und Nachfeststellungen betroffen sind.
Rz. 17
Diese Auffassung wird nicht geteilt. Vielmehr spricht viel dafür, dass sich die Worte "von Grundsteuerwerten" nur auf das Wort "Nachfeststellung" beziehen, weil der Gesetzgeber bei dem Begriff Nachfeststellung die Hinzufügung des Begriffs Grundsteuerwert – als Objekt der Nachfeststellung – für erforderlich ansah. Wird indessen der Gesetzestext wie folgt gelesen: "Bescheide über Fortschreibungen (siehe die Überschrift zu § 222 BewG) beim Grundbesitz oder Nachfeststellungen von Grundsteuerwerten des Grundbesitzes", so umfasst der Begriff Fortschreibungen dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechend sowohl Wert- als auch Art- und Zurechnungsfortschreibungen.
Rz. 18– 19
Einstweilen frei.
II. Vorzeitige Erteilung von Feststellungsbescheiden
Rz. 20
Erteilen von Bescheiden bedeutet nicht nur die bloße abschließende Zeichnung der FeststeIlungsbescheide durch den zuständigen Beamten, sondern die tatsächliche Bekanntgabe der Bescheide an den oder die Steuerpflichtigen nach den Vorschriften der §§ 122, 124 AO. § 225 Satz 1 BewG ermächtigt somit das Finanzamt dazu, die in dieser Vorschrift aufgezählten Feststellungsbescheide den Steuerpflichtigen bereits vor dem maßgebenden FeststeIlungszeitpunkt bekannt zu geben.
Rz. 21
Nach § 225 Satz 1 BewG kann das Finanzamt die Bescheide vorzeitig erteilen. Damit steht es im Ermessen des Finanzamtes, ob es von dieser Möglichkeit Gebrauch macht oder die Bekanntgabe der entsprechenden Bescheide erst nach dem Feststellungszeitpunkt vornimmt. Die Entscheidung wird sich i.d.R. nach der Arbeitslage beim Finanzamt und der Frage richten, ob bis zum Feststellungszeitpunkt ggf. noch weitere relevante Veränderungen zu erwarten sind. Der Steuerpflichtige zumindest hat keinen Anspruch darauf, den entsprechenden Bescheid vor dem Feststellungszeitpunkt zu erhalten.
Rz. 22
In der Nichterteilung der Bescheide vor dem Feststellungszeitpunkt liegt kein Ermessenfehlgebrauch durch die Behörde. Das Finanzamt macht dann lediglich von einer ihm eingeräumten Möglichkeit keinen Gebrauch. Es könnte jedoch ein Ermessensfehlgebrauch vorliegen, wenn das Finanzamt generell davon absieht, bereits vorbereitete Feststellungsbescheide i.S. des § 225 Satz 1 BewG den Steuerpflichtigen vor dem Feststellungszeitpunkt bekannt zu geben und die dazu gehörigen Daten an die zuständige Gemeinde zu übersenden. Ob in diesen besonders gelagerten Fällen allerdings ein einklagbarer Anspruch besteht, muss stark bezweifelt werden. Geht man in diesen Fällen von einer Ermessensentscheidung des Finanzamtes aus, ist zu beachten, dass diese nur eingeschränkt über § 102 FGO gerichtlich überprüft werden kann. Im Zweifel werden sich immer Gründe finden lassen, die das Verhalten des Finanzamtes rechtfertigen.
Rz. 23– 24
Einstweilen frei.