Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
aa) Abschlag bei unverhältnismäßig geringen Erträgen (kapitalintensive Unternehmen)
Rz. 612
Liegen im Einzelfall besondere Umstände vor, die in dem ermittelten Anteilswert nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen sind, so können diese durch Abschläge und Zuschläge berücksichtigt werden (R 100 Abs. 3 ErbStR 2003). Im Allgemeinen kommen Abschläge in Betracht. Als einen besonderen Umstand für einen Abschlag führen die Erbschaftsteuer-Richtlinien Gesellschaften an, bei denen "nachhaltig unverhältnismäßig geringe Erträge einem großen Vermögen gegenüberstehen". Es handelt sich hier um die kapitalintensiven Unternehmen. Unverhältnismäßig geringe Erträge sind anzunehmen, wenn die Rendite, d.h. das Verhältnis vom Ertragswert zum Vermögenswert, weniger als 4,5 % ausmacht. Die Grenze von 4,5 % ergibt sich daraus, dass bei der Ermittlung des gemeinen Werts eine Normalrendite unterstellt wird und der Abschlag erst gewährt werden soll, wenn die tatsächliche Rendite unter der Hälfte der Normalrendite von 9 % liegt (R 100 Abs. 3 ErbStR 2003; zur Bewertung ertragsschwacher Unternehmen s. auch Peemöller/Bömelburg. Der Abschlag beträgt jeweils 3 % für eine Renditeminderung von 0,45 %. Beträgt z.B. der Ertragshundertsatz 4 % und der Vermögenswert 250 %, entspricht dies einer Rendite (Verhältnis des Ertragshundertsatzes zum Vermögenswert) von
Bei einer Rendite von 1,6 % ergibt sich nach der in R 100 Abs. 3 ErbStR 2003 enthaltenen, nachstehend wiedergegebenen Tabelle ein Abschlag von 21 % auf den zunächst errechneten Wert.
Bei einer Rendite |
Abschlag in % |
unter 4,50 % bis 4,05 % |
3 |
unter 4,05 % bis 3,60 % |
6 |
unter 3,60 % bis 3,15 % |
9 |
unter 3,15 % bis 2,70 % |
12 |
unter 2,70 % bis 2,25 % |
15 |
unter 2,25 % bis 1,80 % |
18 |
unter 1,80 % bis 1,35 % |
21 |
unter 1,35 % bis 0,90 % |
24 |
unter 0,90 % bis 0,45 % |
27 |
unter 0,45 % |
30 |
Rz. 613
Bei einem Ertragshundertsatz von 0 % – ein solcher wird auch bei einem Verlust angesetzt – beträgt der gemeine Wert der Anteile nicht 68 %, sondern nur 47,6 % des Vermögenswerts, der auf 47 % abzurunden ist.
Rz. 614
Bei der Entscheidung darüber, ob ein Abschlag wegen nachhaltig geringer Erträge zu gewähren ist, sind die Erträge aus Beteiligungen zu berücksichtigen, denn, so führt die BFH-Entscheidung vom 23.7.1981 aus, "ein Erwerber der Anteile wird auf die nachhaltige Gesamtverzinsung des von ihm für den Erwerb aufgewendeten Kapitals abstellen. Dabei wird ihm i.d.R. gleichgültig sein, ob und in welchem Umfang das Betriebsergebnis auf eigener gewerblicher Tätigkeit der Gesellschaft beruht oder auf Beteiligungserträge zurückgeht."
bb) Unterkapitalisierte Gesellschaften
Rz. 615
Unterkapitalisiert ist eine Gesellschaft, wenn ihr Nennkapital in einem Missverhältnis zu ihrem Vermögen steht. Bei einer Unterkapitalisierung kann sich ein verhältnismäßig sehr hoher gemeiner Wert ergeben. Dieser Umstand rechtfertigt für sich allein keinen Abschlag.
Rz. 616
Einstweilen frei.
cc) Schwere Verkäuflichkeit der Anteile
Rz. 617
Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse können den gemeinen Wert nicht beeinflussen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG). Deshalb müssen bei der Anteilsbewertung solche Umstände außer Betracht bleiben, die auf den persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter beruhen. So wird die schwere Verkäuflichkeit der Anteile und die Zusammenfassung aller oder mehrerer Anteile in einer Hand i.d.R. auf persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter beruhen und nicht ohne weiteres einen Abschlag rechtfertigen (R 100 Abs. 4 ErbStR 2003). Auch das allgemeine politische Risiko eines bestimmten Marktes kann nicht durch einen Abschlag berücksichtigt werden.
Rz. 618– 621
Einstweilen frei.
dd) Verfügungsbeschränkungen
Rz. 622
Für einen Abschlag auf den Anteilswert wegen persönlicher oder gesellschaftsvertraglicher Bindungen stellte der BFH zunächst auf die Gründungsgesellschafter ab: Seien am Bewertungsstichtag noch ein oder mehrere Gründungsgesellschafter unmittelbar oder mittelbar über eine Personengesellschaft beteiligt und haben diese einzeln oder gemeinsam die für eine Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderliche Mehrheit (das sind i.d.R. 75 %), so sei ein Abschlag wegen Verfügungsbeschränkungen, die sich die Gesellschafter selbst auferlegt haben und an der sie aufgrund ihrer Mehrheitsbeteiligung festhalten, nicht zulässig.
Rz. 623
Diese Rechtsprechung hat der BFH jedoch mit Urteil vom 17.6.1998 aufgegeben. Ob die Beschränkung bezüglich der Übertragbarkeit der Anteile bei der Gründung der Gesellschaft oder erst in einer späteren Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern festgelegt worden sei, könne dahinstehen. Entscheidend dafür, dass solche Beschränkungen bei der Bewertung der Anteile nicht berücksichtigt werden können, sei, "dass die Gesellschafter diese Bindung im eigenen und gegenseitigen Interesse eingegangen sind und sie diese Beschränkungen jederzeit wieder beseitigen können". Sie dien...