Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
aa) Fehlerbeseitigende Art- und Zurechnungsfortschreibungen
Rz. 249
Fortschreibungszeitpunkt ist nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Alt. 1 BewG grundsätzlich der Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird. Das gilt ausnahmslos für Art- und Zurechnungsfortschreibungen.
Rz. 250
§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Alt. 2 BewG betrifft nur Wertfortschreibungen, die zu einem höheren Einheitswert führen, und ist auf Art- und Zurechnungsfortschreibungen auch nicht entsprechend anwendbar. Art- und Wertfortschreibungszeitpunkt können also bei einer Fehlerbeseitigung auch dann auseinander fallen, wenn sich der gleiche Fehler auf beide Feststellungsarten auswirkt oder wenn die Wertfortschreibung nur eine Folge der Artfortschreibung ist.
Rz. 251
Beispiel:
Die Artfeststellung Zweifamilienhaus ist fehlerhaft; sie muss auf Einfamilienhaus berichtigt werden. Die Artänderung bewirkt eine Werterhöhung für das Grundstück, die zu einer Wertfortschreibung führt. Der Fehler wird dem Finanzamt 2005 bekannt. Der Fortschreibungsbescheid ergeht 2007. Die Artfortschreibung kann zum 1.1.2005 vorgenommen werden, die Wertfortschreibung dagegen erst zum 1.1.2008.
Rz. 252
Bekannt geworden ist dem Finanzamt der Fehler nicht erst dann, wenn es anerkennt, dass es einen Fehler gemacht hat, sondern schon dann, wenn es auf ihn durch einen neuen, begründeten Antrag des Eigentümers hingewiesen wird, oder von sich aus entdeckt, dass möglicherweise ein Fehler vorliegt. Andererseits genügt es nicht, dass das Finanzamt bei gründlicher Prüfung hätte erkennen können, dass eine Bewertungsgrundlage fehlerhaft war. Bekannt ist ihm der Fehler erst dann, wenn es ihn als solchen bemerkt oder auf ihn hingewiesen wird.
Rz. 253
Maßgebend ist die Kenntnis der Bewertungsstelle. Deshalb genügt es nicht, wenn eine andere Stelle des Finanzamts die Bewertungsstelle nur um eine Überprüfung der Bewertung bittet. Anders ist der Sachverhalt dann zu beurteilen, wenn der Bewertungsstelle von einer anderen Stelle des Finanzamts der Sachverhalt, aus dem sich die Fehlerhaftigkeit der Bewertung ergibt, mitgeteilt wird. Hierbei kann es sich z.B. um Hinweise aus der Veranlagungsstelle handeln.
Rz. 254
Wird der Fehler erst dadurch offenbar, dass sich die Rspr. eines obersten Gerichtshofs des Bundes, insb. die Rspr. des BFH, ändert oder wird eine Verwaltungsvorschrift für rechtswidrig erklärt, darf nach § 22 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BewG die Art- oder Zurechnungsfortschreibung erst auf den Beginn des Kalenderjahrs erfolgen, das der Verkündung oder Zustellung der Entscheidung nachfolgt. Die Schutzwirkung des § 176 AO bezieht sich folglich nur auf die zurückliegenden Feststellungszeitpunkte (vgl. dazu Anm. 196).
Rz. 255
Entsprechendes gilt in den Fällen, in denen die sich die Entscheidung des BVerfG oder eines obersten Gerichteshofes des Bundes auf die Nichtigkeitserklärung einer Norm erstreckt und sich dies bei einer Art- und Zurechnungsfortschreibungen zum Nachteil des Stpfl. auswirkt. Auch hier ist nach den Grundsätzen zu entscheiden, die der BFH zur Abgrenzung von Änderungen nach § 173 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO entwickelt hat (s. dazu Anm. 323).
Rz. 256– 258
Einstweilen frei.
bb) Wertfortschreibung bei Herabsetzung des Einheitswerts
Rz. 259
Bei einer fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung, die zu einer Herabsetzung des Einheitswerts führt, ist nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Alt. 1 BewG Fortschreibungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird. Enthält der vorangegangene Bescheid mehrere Fehler, sind sie alle gleichzeitig zu korrigieren. Haben sich einige Fehler zugunsten, anderen zu Lasten des Eigentümers ausgewirkt, ist zu saldieren. Die Rechtslage ist also anders als beim Zusammentreffen von Fehlern mit einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (s. dazu Anm. 272).
Rz. 260
Nur wenn sich nach Saldierung eine Herabsetzung des Einheitswerts ergibt, greift die erste Alternative des § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG ein. Führt die Saldierung im Ergebnis zu einer Erhöhung des Einheitswerts, gilt in Bezug auf den Fortschreibungszeitpunkt § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Alt. 2 BewG. Würde man zulassen, dass bei mehreren Fehlern jeder Fehler für sich beurteilt und zu unterschiedlichen Fortschreibungszeitpunkten korrigiert wird, müsste man in Kauf nehmen, dass der Einheitswert zunächst zu dem in § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Alt. 1 BewG bestimmten Zeitpunkt herabgesetzt und dadurch seine Fehlerhaftigkeit noch vergrößert wird und erst zu dem in § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Alt. 2 BewG festgelegten Zeitpunkt in der zutreffenden Höhe festgestellt wird.
Rz. 261
§ 22 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BewG i.V.m. § 176 AO sind bei Herabsetzungen des Einheitswerts regelmäßig nicht anwendbar, weil sie nur für nachteilige Rechtsprechungsänderungen gelten. Ausnahmsweise greifen die Vorschriften jedoch ein, wenn die vorangegangene Wertfestste...