aa) Grundsatz
Rz. 18
Eigenbesitzer ist, wer ein Wirtschaftsgut als ihm gehörig besitzt (vgl. § 872 BGB). Eigenbesitz und Eigentum werden sich meistens in einer Person vereinigen. Fallen sie aber nicht zusammen, so folgt das Steuerrecht grundsätzlich nicht dem förmlichen Eigentum, sondern es knüpft an die tatsächliche Sachherrschaft (vgl. § 854 BGB) des Eigenbesitzers an und rechnet ihm die im Eigenbesitz befindlichen Wirtschaftsgüter ungeachtet der Eigentumsverhältnisse zu (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO 1977). Eine Ausnahme bilden die Steuern, die an die Rechtsform anknüpfen, wie z.B. die Grunderwerbsteuer. Eine Einschränkung auf bestimmte Arten von Wirtschaftsgütern nimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO 1977 nicht vor. Auch hier kommt wieder die unjuristische Formulierung des § 39 AO 1977 zum Tragen.
Neben dem objektiven Tatbestandsmerkmal der Herrschaft über das Wirtschaftsgut setzt der Eigenbesitz subjektiv den Herrschaftswillen, also den Willen, das Wirtschaftsgut wie ein Eigentümer oder Berechtigter zu besitzen, voraus. Voraussetzung für die Zurechnung an den Eigenbesitzer ist, dass der Wille zum Eigenbesitz, der animus domini, nach außen hervortritt. Sachherrschaft, die der Steuerpflichtige ausschließlich oder ganz überwiegend im Interesse (für Rechnung) eines Dritten ausüben darf und auch tatsächlich ausübt, begründet kein wirtschaftliches Eigentum bei ihm. Weil es für die Zurechnung auf die tatsächliche Sachherrschaft ankommt, kann wirtschaftliches Eigentum durch Eigenbesitz nicht rückwirkend begründet werden.
bb) Eigenbesitz in Erwartung des Eigentumserwerbs
Rz. 19
Wirtschaftlicher Eigentümer ist der Erwerber eines Grundstücks, wenn Besitz, Nutzen und Lasten auf ihn aufgrund eines wirksamen Kaufvertrags übergegangen sind; das Grundstück wird dem Erwerber zugerechnet, auch wenn die Grundbuchumschreibung erst in der Zukunft erfolgt. Der Erwerber eines Grundstücks, der das Grundstück als ihm gehörig besitzt, hört nicht schon dadurch auf, wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks zu sein, dass der Veräußerer die Rechtsgültigkeit des Eigentumsüberganges bestreitet.
Wirtschaftliches Eigentum würde dann nicht vorliegen, wenn bei Anfechtung eines Kaufvertrags im Klagewege durch den Verkäufer anerkannt werden müsste, dass der Vertrag nichtig sei und das Grundstück mit allen daraus sich ergebenden rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen ununterbrochen ihm gehört habe. In einem solchen Falle bleibt bis zur Beendigung des Rechtsstreits ungewiss, ob der Erwerber am maßgebenden Stichtag über das Grundstück wie ein Eigentümer zu schalten berechtigt war. Für die Frage des wirtschaftlichen Eigentums macht es keinen Unterschied, ob das Eigentum bloß bestritten ist oder ob es zum Gegenstand eines Rechtsstreits gemacht wurde.
Die Einigung über die Enteignung reicht nicht aus, um das wirtschaftliche Eigentum des Enteignungsberechtigten oder des durch die Enteignung Begünstigten zu begründen. Im Übrigen ist wirtschaftliches Eigentum auch an ideellen Anteilen eines Grundstücks möglich.
Im Flurbereinigungsverfahren findet der steuerrechtliche Eigentumswechsel grundsätzlich mit der vorläufigen Besitzeinweisung statt. Erfolgt jedoch nicht ein Grundstückstausch, sondern wird eine Geldabfindung gewährt, so geht das wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücksflächen auf die Teilnehmergemeinschaft mit Zustimmung des bisherigen Eigentümers über.
Rz. 20
Die Zurechnung an den künftigen Erwerber ist nicht möglich, wenn nur ein Kaufanwartschaftsvertrag besteht, der den Abschluss eines Kaufvertrages mit anschließender Auflassung und Eintragung erst für einen späteren Zeitpunkt vorsieht. Deshalb begründet eine Kaufoption kein wirtschaftliches Eigentum, solange das Angebot nicht angenommen und die tatsächliche Sachherrschaft nicht übergegangen ist. Überlässt eine Mutter ihrem Sohn das zur Ausübung des Gewerbebetriebes notwendige Grundstück bei gleichzeitiger Übereignung der dem Betrieb dienenden Einrichtungsgegenstände, so erwirbt der Sohn kein wirtschaftliches Eigentum, selbst wenn er sämtliche Grundstückslasten trägt und die spätere Übereignung in Aussicht genommen ist. Liegt zwischen dem Vertragsabschluss und dem Eigentumsübergang eine unverhältnismäßig lange Zeitspanne – im Entscheidungsfall 15 Jahre –, so kann der künftige Erwerber den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer möglicherweise nicht von der Einwirkung auf das Grundstück ausschließen, so dass er trotz Besitz- und Nutzungsübergangs nicht wirtschaftlicher Eigentümer ist. Andererseits kann es nach Lage des Einzelfalls für die Begründung wirtschaftlic...