I. Allgemeines
Rz. 85
Da die selbständigen Tätigkeiten i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG einem Gewerbebetrieb gleichstehen, richten sich Begriff und Umfang des Betriebsvermögens nach der sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des § 95 BewG. Das Betriebsvermögen umfasst daher grundsätzlich alle Teile eines Betriebes i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Dadurch wird die grundsätzliche Bestandsidentität des bewertungsrechtlichen Betriebsvermögens mit dem ertragsteuerrechtlichen Betriebsvermögen hergestellt. Die im Rahmen der Einkommensbesteuerung getroffenen Entscheidungen können für das Bewertungsrecht regelmäßig übernommen werden. Eine Bindung an die einkommensteuerrechtliche Sachbehandlung besteht jedoch nicht.
Die im Ertragsteuerrecht herkömmlicherweise vorgenommene Dreiteilung des Vermögens in notwendiges Betriebsvermögen, gewillkürtes Betriebsvermögen und Privatvermögen gilt nach den vorstehenden Grundsätzen auch für das Bewertungsrecht und damit auch für das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Vgl. hierzu schon § 95 BewG Rz. 284 ff.
Rz. 86
Ebenso wie Gewerbetreibenden steht auch den Freiberuflern die Möglichkeit offen, gewillkürtes Betriebsvermögen zu bilden. Das gilt nicht nur für diejenigen Freiberufler, die (freiwillig) Bücher führen, also ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, sondern – nach neuerer Rechtsprechung – auch für freiberuflich tätige Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) errechnen.
Rz. 87
Die ältere Rechtsprechung des BFH ließ allerdings die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens nur bei bilanzierenden Steuerpflichtigen zu. Diese restriktive Auffassung hat der BFH inzwischen nach zunehmender Kritik in der Literatur aufgegeben. Dem ist insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze der Besteuerungs- und Totalgewinngleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) beizupflichten (näher dazu § 95 BewG Rz. 295).
Rz. 88
Auch im Fall der Bildung von gewillkürtem Betriebsvermögen durch einen Überschussrechner ist freilich zu verlangen, dass der Akt der erstmaligen Zuordnung des Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen unmissverständlich in einer solchen Weise dokumentiert wird, dass ein sachverständiger Dritter – z.B. ein Betriebsprüfer – ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen die Zugehörigkeit des erworbenen oder eingelegten Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen erkennen kann (näher dazu § 95 BewG Rz. 296 ff.).
Rz. 89
Die Bildung von gewillkürtem Betriebsvermögen setzt voraus, dass das betreffende Wirtschaftsgut objektiv geeignet ist, den Betrieb zu fördern. Dies ist zu verneinen bei den sog. betriebsschädlichen Wirtschaftsgütern sowie solchen Wirtschaftsgütern, die den Gegenstand eines Risikogeschäfts bilden.
Rz. 90
Generell lässt sich konstatieren, dass der Kreis der potenziellen Wirtschaftsgüter des gewillkürten Betriebsvermögens bei Freiberuflern im Hinblick auf die Eigenart der freiberuflichen Tätigkeiten enger zu ziehen ist als bei Gewerbetreibenden (vgl. auch Rz. 155 und 166 ff.).
Rz. 91– 94
Einstweilen frei.
II. Grundsatz der Bestandsidentität
1. Rechtslage bis 31.12.2008
Rz. 95
Der Grundsatz der Bestandsidentität zwischen dem ertragsteuerrechtlichen und dem bewertungsrechtlichen (erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen) Betriebsvermögen wurde nach der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage insbesondere durchbrochen bei
- 1. Ausgleichsposten im Falle der Organschaft (§ 95 Abs. 1 Satz 2 BewG a.F.),
- 2. Betriebsgrundstücken (§ 99 BewG a.F.),
- 3. Anschaffungskosten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Erbbaurechts,
- 4. Schulden und sonstigen passiven Ansätzen, die nicht mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens i.S.d. BewG in wirtschaftlichem Zusammenhang standen (§ 103 Abs. 1 BewG),
- 5. Gewinnansprüchen gegen eine beherrschte Gesellschaft als sonstigem Abzug bei der beherrschten Gesellschaft (§ 103 Abs. 2 BewG),
- 6. Rücklagen (§ 103 Abs. 3 BewG) und
- 7. Bilanzposten i.S.d. § 137 BewG.
Vgl. dazu R 114 Abs. 2 ErbStR 2003.
Rz. 96– 102
Einstweilen frei.