Rz. 56
§ 145 Abs. 3 Satz 1 BewG schreibt für die Bewertung unbebauter Grundstücke ein typisierendes Vergleichswertverfahren vor. Bei dem Vergleichswertverfahren wird der Wert des zu bewertenden Grundstücks als Mittelwert aus Kaufpreisen vergleichbarer Grundstücke in unmittelbarer Nachbarschaft abgeleitet. Dieses Verfahren wird bei der Bedarfsbewertung typisierend in der Weise angewandt, dass nicht auf Kaufpreise vergleichbarer Grundstücke zurückgegriffen wird, sondern auf den Bodenrichtwert als durchschnittlichen Lagewert für das Gebiet, in dem das zu bewertende Grundstück liegt.
Rz. 57
Der Bodenrichtwert × Grundstücksfläche ergibt nach Abzug eines pauschalen Abschlags von 20 % zur Berücksichtigung aller möglichen Wertminderungen den Wert des zu bewertenden Grundstücks. Weicht das zu bewertende Grundstück in seinen Merkmalen von denen des Bodenrichtwertgrundstücks ab, sind ggf. Wertkorrekturen beim Bodenrichtwert vorzunehmen. Um im Einzelfall eine Bewertung über dem Verkehrswert des zu bewertenden Grundstücks zu vermeiden, hat der Gesetzgeber mit § 138 Abs. 4 BewG – für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2007 mit § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG – dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt, für sein Grundstück einen unter dem Steuerwert liegenden Verkehrswert nachweisen zu können.
Rz. 57.1
Das Niedersächsische Finanzgericht hat mit Urteil vom 14.12.2017 entschieden, dass die von den Gutachterausschüssen nach § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG ermittelten und den Finanzämtern mitgeteilten Bodenrichtwerte für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich sind. Gegen die Entscheidung hat der Steuerpflichtige Revision eingelegt, die beim BFH unter dem Az. II R 7/18 anhängig ist. In dem Verfahren sind in erster Linie Fragen bei der Bewertung im Zusammenhang mit einem Erbbaurecht streitig. Nach dem Urteil des FG Niedersachsen ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die Frage, ob die von den Gutachterausschüssen nach § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG ermittelten und den Finanzämtern mitgeteilten Bodenrichtwerte für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich sind, aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse.
Rz. 57.2
In diesem Zusammenhang ist auch der Ausgang des beim BFH anhängigen Verfahrens interessant, bei dem die Frage zu klären ist, ob ein von einem Gutachterausschuss nachträglich ermittelter Bodenrichtwert zu einem rückwirkenden Ereignis führt. Sofern dies zu bejahen ist, ist die Frage zu klären, ob die Rechtskraftbindung eines BFH-Urteils einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 entgegensteht.
I. Ausgangsgröße "Bodenrichtwert"
Rz. 58
Die Bodenrichtwertrichtlinie (BRW-RL) vom 11.1.2011 gibt Hinweise für die Ermittlung der Bodenrichtwerte nach § 10 ImmoWertV. Mit der Anwendung der Richtlinie sollen die Gutachterausschüsse in die Lage versetzt werden, die Ermittlung und Darstellung der Bodenrichtwerte nach einheitlichen und marktgerechten Grundsätzen und Verfahren sicherzustellen. Die Richtlinie wurde von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, des Bundesministeriums der Finanzen, der für das Gutachterausschusswesen zuständigen Ministerien der Länder sowie der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände erarbeitet. Allerdings ist die BRW-RL für Gutachterausschüsse nicht verbindlich. Sie wird den Gutachterausschüssen lediglich "zur Anwendung empfohlen". Im Interesse der Einheitlichkeit und Praktikabilität dürfte davon auszugehen sein, dass sich die Gutachterausschüsse an der BRW-RL orientieren werden. Dies gilt insbesondere, weil die Bodenrichtwerte zur Transparenz auf dem Immobilienmarkt beitragen sollen und in besonderem Maß der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Situation am Immobilienmarkt dienen. Letztlich sind die Bodenrichtwerte in der Praxis die entscheidende Grundlage zur Ermittlung des Bodenwerts (§ 16 Absatz 1 Satz 2 ImmoWertV) und dienen der steuerlichen Bewertung.
Rz. 59
Bodenrichtwerte sind, soweit die Länder keine häufigere Ermittlung vorgeschrieben haben, mindestens zum 31. Dezember eines jeden zweiten Kalenderjahres flächendeckend zu ermitteln. Dabei sind für die Bodenrichtwertermittlung die Daten der Kaufpreissammlung und sonstige für die Wertermittlung erforderliche Daten, vor allem Bodenpreisindexreihen und Umrechnungskoeffizienten, zugrunde zu legen. Zweckdienliche sonstige Daten und Informationen sind unterstützend heranzuziehen. Dazu können z.B. gehören: