Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
I. Gemeindefreie Gebiete
Rz. 37
Grundsätzlich gehört jeder Teil des Staatsgebietes zu einer Gemeinde, sodass gemeindefreie Gebiete (auch "ausmärkische Gebiete genannt") die Ausnahme bilden. Gemeindefreie Gebiete gibt es in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Die größte Anzahl weist der Freistaat Bayern auf. Diese Gebiete sind keiner Gemeinde zugewiesen und unterliegen im Wesentlichen der Kreisverwaltung oder dem Bundesland. Es handelt sich hierbei meistens um Staatsforste, Seen, Truppenübungsplätze und Ödland. Die gemeindefreien Gebiete werden in Schleswig-Holstein als Forstgutsbezirk, in Niedersachsen als gemeindefreier Bezirk, in Hessen als Gutsbezirk oder gemeindefreies Gebiet und in Baden-Württemberg als Gutsbezirk oder gemeindefreier Grundbesitz bezeichnet.
Rz. 38
Am Beispiel der niedersächsischen Verordnung über die Verwaltung gemeindefreier Gebiete (GfrGVO) zeigt sich folgende Struktur. Gemeindefreier Bezirk ist ein hierzu erklärtes gemeindefreies Gebiet, das insb. dauernd bewohnt wird und wegen der mit ihm verbundenen öffentlichen Aufgaben eine eigene Verwaltung benötigt (§ 1 Abs. 2 GfrGVO). Die den Gemeinden obliegenden öffentlichen Aufgaben des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises erfüllt im gemeindefreien Bezirk der Grundeigentümer als öffentlich-rechtlich Verpflichteter (§ 2 GfrGVO). Er trägt die aus der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben erwachsenden Ausgaben einschließlich der auf den gemeindefreien Bezirk entfallenden Umlagen des Landkreises und sonstiger umlageberechtigter Körperschaften des öffentlichen Rechts (z.B. von Zweckverbänden) sowie der Umlagen des Landes. Andererseits kann der öffentlich-rechtlich Verpflichtete die Abgaben und die privatrechtlichen Entgelte erheben, die eine Gemeinde erheben kann (§ 3 GfrGVO). Für gemeindefreie Gebiete, die nicht zu gemeindefreien Bezirken erklärt worden sind, gilt nach § 18 Abs. 1 GfrGVO § 3 Abs. 1 GfrGVO entsprechend. [2]Für die Erfüllung kommunaler Aufgaben kann der öffentlich-rechtlich Verpflichtete mit Ausnahme der Grundsteuer Abgaben und privatrechtliche Entgelte wie eine Gemeinde beanspruchen; sie werden für ihn vom Landkreis erhoben.
Rz. 39
Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit 210 gemeindefreie Gebiete (Stand 31.3.2020). In der Statistik wird zwischen bewohnten und unbewohnten gemeindefreien Gebieten unterschieden. Die bewohnten gemeindefreien Gebiete werden in der Statistik wie selbständige Gemeinden betrachtet und zählen somit auch zum Bestand der Gemeinden. Derzeit gibt es nur in Niedersachsen zwei bewohnte gemeindefreie Gebiete (Osterheide im Landkreis Heidekreis und Lohheide im Landkreis Celle).
Abb. 2: Gemeindefreie Gebiete in Deutschland
Land |
Gemeindefreie Gebiete |
insgesamt |
bewohnt |
unbewohnt |
Schleswig-Holstein |
2 |
– |
2 |
Niedersachsen |
25 |
2 |
23 |
Hessen |
4 |
– |
4 |
Rheinland-Pfalz |
1 |
– |
1 |
Baden-Württemberg |
2 |
– |
2 |
Bayern |
174 |
– |
174 |
Saarland |
1 |
– |
1 |
Mecklenburg-Vorpommern |
1 |
– |
1 |
Deutschland |
210 |
2 |
208 |
Quelle: Statistisches Bundesamt, Verwaltungsgliederung in Deutschland, Stand 31.3.2020.
II. Rechtsverordnung
Rz. 40
Die Landesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung, wer die nach dem GrStG den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübt. Für Niedersachsen gilt die Verordnung über die Verwaltung gemeindefreier Gebiete, nach der der öffentlich-rechtlich Verpflichtete die Abgaben erheben kann, die eine Gemeinde erheben kann. Nach § 2 Abs. 1 NdsKGGstErhVO erhebt die Bundesrepublik Deutschland als öffentlich-rechtlich Verpflichteter im Sinne der Verordnung über die Verwaltung gemeindefreier Gebiete die Grundsteuer in den gemeindefreien Bezirken Lohheide (Landkreis Celle) und Osterheide (Landkreis Heidekreis).
Rz. 41
In Bayern hatte die Staatsregierung mit der Verordnung zum Vollzug des Grundsteuergesetzes vom 11.12.1973 angeordnet, dass auch für gemeindefreie Grundstücke Grundsteuer zu erheben ist und das Heberecht den Landkreisen zugeteilt. Diese Verordnung ist durch die Zuständigkeitsverordnung (ZustVO) v. 16.6.2015 außer Kraft gesetzt worden. Nach § 4 Abs. 1 ZustVO üben die Landkreise für den Grundbesitz in gemeindefreien Gebieten die den Gemeinden nach dem GrStG zustehenden Befugnisse aus.
Rz. 42– 44
Einstweilen frei.