Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
I. Bewertung eines Erbbaurechts im Zustand der Bebauung
Rz. 37
Der Grundbesitzwert eines zuvor unbebauten Erbbaurechts, welches sich am Bewertungsstichtag im Zustand der Bebauung befindet, ermittelt sich nach geänderter Auffassung der Finanzverwaltung aus dem Bodenwertanteil des Erbbaurechts (§ 193 Abs. 3 und 4 BewG) und den bis zum Bewertungsstichtag entstandenen Herstellungskosten des Gebäudes, abzüglich des bei Ablauf des Erbbaurechts nicht entschädigten und auf den Bewertungsstichtag abgezinsten Anteils der Herstellungskosten (vgl. die Kommentierung zu § 193 BewG). Der letzte Halbsatz gilt nur, wenn bei Ablauf des Erbbaurechts ein Teil des Gebäudewerts entschädigungslos auf den Erbbaurechtsgeber übergeht.
Rz. 38
Sind auf dem Erbbaurecht vor Beginn der am Bewertungsstichtag noch nicht abgeschlossenen Baumaßnahme bereits bezugsfertige Gebäude oder Gebäudeteile vorhanden, erfolgt deren Bewertung zunächst nach dem für Erbbaurechte üblichen Verfahren (§ 193 Abs. 3 bis 5 BewG). Anschließend sind die entstandenen Herstellungskosten des im Bau befindlichen Gebäudes oder Gebäudeteils hinzuzurechnen. Korrespondierend zu den unbebauten Erbbaurechten im Zustand der Bebauung dürfte auch in diesem Fall ein Abzug des bei Ablauf des Erbbaurechts nicht entschädigten und auf den Bewertungsstichtag abgezinsten Anteils der Herstellungskosten vorzunehmen sein (vgl. Rz. 37).
Rz. 39
Bei Erbbaurechten im Zustand der Bebauung wird in Fällen des vollständigen oder teilweisen Verzichts auf eine Abfindung des Gebäudewerts bei der Beendigung des Erbbaurechts auch ein Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks abgezogen. Damit hat die Finanzverwaltung ihre frühere Rechtsauffassung aufgegeben.
Rz. 40
Bis zum Ergehen der ErbStR 2011 waren die entstandenen Herstellungskosten stets in voller Höhe beim Erbbaurecht im Zustand der Bebauung zu berücksichtigen. Hier lag ein systematischer Bruch bei der Wertermittlung vor, weil das Erbbaurecht bei vollständigem oder teilweisem Abfindungsverzicht um den (nicht in Abzug gebrachten) Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks zu hoch bewertet wurde. Es kam somit zu einer Überbewertung des entsprechenden Erbbaurechts im Zustand der Bebauung. Dies wurde im Rahmen der ErbStR 2011 korrigiert.
Rz. 41
Bereits frühzeitig haben wir darauf hingewiesen, dass eine Vereinfachungsregel, bei der der vollständige oder teilweise Abfindungsverzicht nicht völlig ausgeblendet wird, wünschenswert bzw. erforderlich sei. Wir hatten vorgeschlagen, dass in diesen Fällen zur vereinfachten Ermittlung des Gebäudewertanteils des Erbbaugrundstücks die am Bewertungsstichtag entstandenen Herstellungskosten auf das Ende des Erbbaurechts abgezinst und entsprechend der Höhe des Abfindungsverzichts aufgeteilt werden. Diesem Vorschlag ist die Finanzverwaltung im Rahmen der ErbStR 2011 gefolgt.
II. Bewertung eines Erbbaugrundstücks mit einem Gebäude im Zustand der Bebauung
Rz. 42
Die Bewertung von Erbbaugrundstücken mit Gebäuden im Zustand der Bebauung ist ebenfalls durch die Finanzverwaltung im Rahmen der ErbStR 2011 neu geregelt und in die ErbStR 2019 übernommen worden. Demnach stellt der bei Ablauf des Erbbaurechts nicht zu entschädigende und auf den Bewertungsstichtag nach Maßgabe der Anlage 26 zum BewG abgezinste Anteil der am Bewertungsstichtag für das sich im Bau befindliche Gebäude bzw. für den sich in Bau befindlichen Gebäudeteil entstandenen Herstellungskosten den Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks dar (vgl. die Kommentierung zu § 194 BewG).
Rz. 42.1
Die Neuregelung der Finanzverwaltung ist zu begrüßen, da sie im Gleichklang mit der Behandlung eines Erbbaurechts im Zustand der Bebauung steht (vgl. Rz. 37 ff.) und zugleich wieder ein Unterschied zur Bewertung eines Erbbaugrundstücks mit einem am Bewertungsstichtag bereits bezugsfertigen Gebäude geschaffen wurde. Zudem ist der Systembruch mit der Behandlung der übrigen Grundstücke im Zustand der Bebauung beseitigt worden, da nur die bis zum Bewertungsstichtag entstandenen Herstellungskosten für die Bewertung maßgebend sind.
Rz. 43
Bei der zuvor geltenden Verwaltungsauffassung war bei am Bewertungsstichtag sich im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstücken der Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks im Zeitpunkt des Ablaufs des Erbbaurechts nach § 185 BewG (Gebäudeertragswert) bzw. § 190 BewG (Gebäudesachwert) zu ermitteln. Der Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks entsprach damit dem Gebäudewert oder dem anteiligen Gebäudewert, der dem Eigentümer des Erbbaugrundstücks bei Beendigung des Erbbaurechts durch Zeitablauf entschädigungslos zufiel; er war n...