Rz. 110

[Autor/Stand] Bei völligem Fehlen einer Gegenleistung kommt es auf ein besonderes Näheverhältnis zwischen den Beteiligten nicht an. Derartige personenbezogene Beziehungen beeinflussen grundsätzlich nur die Höhe der anfallenden Erbschaft-/Schenkungsteuer (§§ 1519a ErbStG) und ermöglichen daher regelmäßig keinen zwingenden Schluss auf die Steuerbarkeit eines Bereicherungsvorgangs.[2] Ein Angehörigenverhältnis zwischen Schenker und Erwerber mag deshalb zwar im Zweifel – insbesondere bei gemischten und/oder verdeckten Schenkungen – den Ausschlag für die Bejahung der Freigebigkeit geben.[3] Doch allein die Tatsache einer fehlenden Verwandtschaft hindert die Annahme der Freigebigkeit nicht;[4] auf eine entsprechende Lebenserfahrung kann man sich nicht berufen.[5] Und im Übrigen gilt der Satz des I. BFH-Senats[6]: "Unterstellungen sind ... nicht geeignet, einen steuerbegründenden Sachverhalt zu widerlegen.", selbstverständlich auch im Schenkungsteuerrecht;[7] dies hat II. BFH-Senat einst mit der Ablehnung der Übertragbarkeit ertragsteuerrechtlicher Fiktionen ausdrücklich bestätigt.[8]

 

Rz. 111

[Autor/Stand] Der Schluss gegen die Schenkungsteuerbarkeit mag nicht unvertretbar sein, wenn im Rahmen eines möglicherweise teilunentgeltlichen Geschäfts zwischen einander fremden Personen die Wertdifferenz der beiderseitigen Leistungen nur gering erscheint.[10] Er ist allerdings nicht gerechtfertigt, wenn der Wertunterschied besonders deutlich ausfällt (s. Rz. 114),[11] ein Partner nachträglich auf die ihm zustehende Gegenleistung verzichtet[12] oder nicht geschuldete "Gegenleistungen" erbringt.[13] Bei von vornherein objektiv unentgeltlichen Leistungen – und erst recht[14] bei einseitiger Zuwendung wertvoller Vermögensgegenstände[15] oder hoher Geldbeträge[16] – muss konsequent das Gleiche gelten.[17] Im Übrigen kann auch zwischen nicht verwandten Personen aus vielfältigen Gründen ein besonderes Näheverhältnis bestehen.[18] Nicht ohne Grund weist daher die Finanzverwaltung darauf hin, dass auch Schenkungen zwischen fremden Personen grundsätzlich schenkungsteuerbar sind.[19]

 

Rz. 112

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Hartmann, Stand: 01.06.2023
[4] So aber tendenziell die ertragsteuerliche Praxis; BFH v. 20.7.2018 – IX R 5/15, BStBl. II 2019, 194; BFH v. 14.1.2010 – IV R 13/06, Rz. 19, BFH/NV 2010, 1483; s. auch Hartmann, UVR 2004, 125 – m.w.N. unter 6.1.
[7] A.A. Innerdienstlicher Leitfaden für die Bearbeitung der Erbschaft- und Schenkungsteuerfälle der OFD Frankfurt a.M. o. Dat. – S 3910 A - 3 - St 119, Tz. 3.5 Abs. 2.
[Autor/Stand] Autor: Hartmann, Stand: 01.06.2023
[14] Auf eine gegenteilige Lebenserfahrung berief sich BFH v. 9.5.2017 – IX R 1/16, Rz. 23, BStBl. II 2018, 94.
[15] BFH v. 24.10.1984 – II R 103/83, BStBl. II 1985, 137 (Rentenvermächtnis an Haushälterin); FG Köln v. 24.8.2000 – 7 K 2853/94, EFG 2000, 1247 (Schenkung von Ölgemälden an Konzernvorstand); s. auch das Rembrandt-Beispiel bei Schulze-Osterloh, StuW 1977, 122 (132).
[16] A.A. FG Köln v. 28.11.2000 – 9 K 2480/94, EFG 2001, 767 (Barzuwendung von 3,9 Mio....

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